Mann im Portrait
Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Aufbruch für die Ausbildung

Von Karl-Josef Laumann MdL

Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, Karl-Josef Laumann, über berufliche und akademische Bildung sowie Ausbildungsvermittlung.

Um direkt Klartext zu reden: Neben dem Klimawandel, der Pandemie, dem Krieg in der Ukraine sowie der aktuellen Inflation ist die Deckung des Arbeitskräftebedarfs über viele Branchen- und Qualifikationsniveaus eine der großen Aufgaben unserer Zeit.

Die aktuellen Herausforderungen wirken sich auch auf den nordrhein-westfälischen Ausbildungsmarkt aus. Dort finden sich derzeit große regionale Unterschiede. Neben Gebieten mit einem deutlichen Überhang an Ausbildungsstellen zeigen sich in anderen Gebieten Versorgungsengpässe für Bewerberinnen und Bewerber, z.B. in vom Strukturwandel betroffenen Regionen wie dem Ruhrgebiet. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist im vergangenen Jahr auf einem niedrigen Niveau geblieben. Zwar wurden 2021 in Nordrhein-Westfalen mit rund 105.000 Ausbildungsverträgen in der dualen Berufsausbildung 1,9 Prozent mehr Verträge abgeschlossen als im ersten Corona-Jahr 2020. Die Zahl bleibt aber mit 9,1 Prozent hinter der Vorkrisenzeit 2019 zurück. Zentrales Anliegen der Ausbildungs- und Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen ist es daher umso mehr, dass mehr junge Menschen den Weg in eine Ausbildung finden. Unser Ziel in Vermittlung und Matching muss es sein, dass jeder Jugendliche, der eine Ausbildung machen möchte und geeignet ist, auch einen Platz bekommt. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist eine wichtige Grundlage für dauerhafte Beschäftigung und eine selbstbestimmte Lebensführung. Sie ist ein erfolgreicher Weg, den Arbeitskräftebedarf zu decken und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern.

"Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen"

Klar ist, dass

  • der nicht gedeckte Bedarf an Bewerberinnen und Bewerbern sowie das unzureichende Matching auf dem Ausbildungsmarkt die Fachkräfteversorgung, die Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit erheblich gefährden und
  • wir einen neuen Aufbruch herbeiführen müssen, um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft zu sichern.

Im „Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen“ nehmen wir richtungsweisende berufsbildungspolitische Weichenstellungen vor, die zur Fachkräftesicherung beitragen. Strategisch geht es darum, dass

  1. mehr Bildungsbeteiligung erreicht wird,
  2. sich das Bildungspotenzial effizienter auf die verschiedenen Bildungswege verteilt und
  3. die beruflichen Bildungsangebote und -wege in ihrer Ausstattung und in ihren Prozessen verbessert werden.

Die Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen investiert in Menschen und Betriebe. Denn wettbewerbsfähige, innovative Betriebe brauchen kompetente Beschäftigte. Mit der Fachkräfteoffensive möchten wir einen Beitrag zur Arbeitskräftesicherung leisten.

Folgende Themen sind mir dabei besonders wichtig:

Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung

Im „Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen“ steht zur beruflichen Bildung: „Für uns sind die akademische und die berufliche Bildung gleichwertig. Insbesondere mit Blick auf den aktuellen Fachkräftebedarf werden wir die duale Ausbildung und die Berufsschulen stärken. Gemeinsam mit der Wirtschaft, den Sozialpartnern und den Kammern wollen wir Nordrhein-Westfalen zum Berufsbildungsland Nummer eins machen.“ Mir ist wichtig, dass Menschen nicht nur die Chance der akademischen Bildung, sondern auch der gleichwertigen beruflichen Bildung ergreifen. Nur so gelingt die Arbeitskräftesicherung.

Die berufliche Bildung wird im Mittelstand, und in der Wirtschaft insgesamt, sehr geschätzt. Sie vermittelt Bildung und Persönlichkeitsentwicklung und verknüpft das mit beruflichem Erfahrungswissen. Es muss ein Umdenken stattfinden: weg davon, die akademische Bildung als alleinigen Königsweg für die Karriere zu betrachten und hin dazu, die berufliche Bildung gleichwertig in den Blick zu nehmen. Der alte Grundsatz „Studium gleich Karriere“ gilt nicht mehr. Andersherum gilt vielmehr: Wer eine Ausbildung macht, wird sich um seinen Arbeitsplatz keine Sorgen machen müssen und hat alle Möglichkeiten für eine erfolgreiche Karriere.

Im Rahmen des Ausbildungspaktes, den wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, wollen wir allen ein Angebot hin zu einer dualen Ausbildung machen, auch jenen, die mitunter Unterstützung oder Orientierungshilfe benötigen.

Dazu zählen insbesondere die Verbundausbildung, die Teilzeitberufsausbildung, die Programme „Kurs auf Ausbildung“ und „100 zusätzliche Ausbildungsplätze“, das Ausbildungsprogramm NRW, das Werkstattjahr, die Berufseinstiegsbegleitung sowie die Potenzialanalyse im Rahmen von „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Dafür stellen wir schon mehr als 60 Millionen Euro EU- und Landesmittel zur Verfügung.

Zur Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung zählen unter anderem Angebote in den Bereichen Wohnen, Verkehr und Bildungsstätten. Die Landesregierung befürwortet es, Azubiwohnheime analog zu Studierendenwohnheimen zu schaffen.

Besonders am Herzen liegt uns auch ein preiswerter ÖPNV für Azubis. Vergünstigte Tarifangebote sollten nicht nur Studierenden vorenthalten sein. Auch bei den Bildungsstätten möchten wir tätig werden. Die überbetrieblichen Bildungsstätten von Handwerk und Industrie müssen modernisiert und zukunftsfest gemacht werden. Dafür wollen wir als Land auch zukünftig unseren Finanzierungsbeitrag leisten, indem wir den Modernisierungspakt mit jährlich acht Millionen Euro aus Landesmitteln fortschreiben. Zusätzlich werden wir die Drittel-Finanzierung für die in den überbetrieblichen Bildungsstätten durchgeführten Lehrlingsunterweisungen garantieren.

Ausbildungsvermittlung

Um Jugendlichen und Lehrkräften ein umfassenderes Bild über berufliche Bildung zu geben und den Übergang von Schule und Beruf zu vereinfachen, gibt es die Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA)“. Diese integriert die betrieblichen Angebote in der Berufsorientierung und soll die Chancen der dualen Ausbildung für Jugendliche präsentieren. Wir haben mit KAoA einen guten Instrumentenkasten und sind bundesweit damit auch Vorreiter, aber wir müssen ihn noch besser nutzen, um Jugendlichen die berufliche Praxis besser näherzubringen. Heute haben die jungen Menschen eine noch nie da gewesene Auswahl an Möglichkeiten. Da braucht es Orientierung und Erfahrungen, um die richtige Entscheidung zu treffen.

Im Rahmen von KAoA gibt es in Nordrhein-Westfalen das zwölfmonatige Werkstattjahr, was sich an noch nicht ausbildungsreife Jugendliche richtet. Es ist ein gutes Beispiel für die Aktivierung von Arbeitskräftepotenzial. Die Jugendlichen erleben während des Werkstattjahrs die Realität der Arbeitswelt. Es verbindet berufliche Qualifizierung mit betrieblichen Praxisphasen. Jugendliche werden schrittweise an eine Integration in den Arbeitsmarkt herangeführt, im Idealfall über die Herstellung der Ausbildungsreife und die anschließende Aufnahme einer Berufsausbildung. Davon profitieren die Jugendlichen, die gut auf eine Ausbildung vorbereitet werden, und auch die Betriebe und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, die Azubis suchen. Damit junge Menschen und Betriebe auch zueinander finden, unterstützen wir zudem insbesondere mit dem „Ausbildungsprogramm NRW“ und „Kurs auf Ausbildung“. Jeder Jugendliche, der uns heute im Übergang von der Schule in den Beruf verloren geht, ist die fehlende Arbeitskraft von morgen. Ziel der Beruflichen Orientierung in Schulen ist es nach wie vor, dass gleichwertig über berufliche und akademische Bildungschancen informiert wird.

Durch die Pandemie und den Klimawandel ist umso deutlicher geworden, dass händeringend Fach- und Arbeitskräfte gebraucht werden. Es bleibt zu hoffen, dass das den ein oder anderen zum Nachdenken bringt und zur Entscheidung doch in beispielsweise die Handwerksausbildung zu gehen. Denn nur mit mehr ausgebildeten Arbeitskräften in unseren Regionen können wir die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen.

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Karl-Josef Laumann MdL

Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

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