Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Aus der Krise schaffen wir es nur zusammen

Von MdL Wibke Brems

Vorsitzende der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW

„Weniger Schuld- und Meckerdebatten“ fordert Wibke Brems, Vorsitzende der Grünen Landtagsfraktion. Sie meint: Wir müssen gemeinsam anpacken in NRW.

Die Kohle hat NRW zu dem gemacht, was es heute auszeichnet: ein starkes Industrieland und ein vielfältiges und offenes Einwanderungsland. 

Die Geschichte Nordrhein-Westfalens wäre ohne Kohle gar nicht denkbar. Doch die Energie der Vergangenheit ist kein Garant für eine gute Zukunft. 

In den fast 15 Jahren, die ich im Landtag bin, konnte ich die immer weiter fortschreitende Abkehr von Stein- und Braunkohle und den Aufstieg der Erneuerbaren Energien beobachten und mitgestalten. NRW ist mittlerweile auf dem besten Wege, das Versprechen der ersten Klimaneutralen Industrieregion Europas wahrzumachen. 

Dafür bleibt auf allen Ebenen noch viel zu tun. Das gilt auch für viele andere Herausforderungen: die Erneuerung von maroden Brücken, veraltete Weichen und Schienen, der große Bedarf an Fachkräften, die Engpässe in Kitas, die Stärkung des Schulsystems oder das oft versprochene schnelle Netz an jeder Milchkanne. Die To-do-Liste ist lang.

Das sind alles Aufgaben, die nicht erst in den vergangenen paar Jahren aus dem Nichts aufgetaucht sind. Jahrzehntelang haben die Regierungen Deutschlands so getan, als ginge es immer so weiter wie bisher – und haben dabei vieles liegengelassen, das wir heute eigentlich dringend bräuchten. Im Streben nach „höher, schneller, weiter“ galt zu oft Profit vor Verantwortung und kurzfristiges Handeln statt nachhaltigem Denken. Günstiges Gas wurde durch Abhängigkeit von Despoten bezahlt, notwendige Investitionen und auch Innovationen blieben aus – das alles hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind: mitten in eine Wirtschaftskrise mit Investitionsstau und gleichzeitiger weltweiter Klimakrise. 

Zusammen Gräben überwinden

Aus dieser schwierigen Lage kommen wir nur heraus, wenn wir aufhören, aufeinander zu warten oder uns gegenseitig Verantwortung zuzuschieben. Wir müssen in NRW gemeinsam anpacken und Gemeinsamkeiten suchen: Wirtschaft und Politik, Verwaltung und Bürger*innen, Start-ups, Familienunternehmen und Großkonzerne, Handwerk und Wissenschaft. 

Ein Beispiel, wie das funktionieren kann, erlebe ich in meiner Heimat Ostwestfalen-Lippe. Dort haben sich mit „it’s OWL“ Unternehmen und Wissenschaft zusammengeschlossen, um große Herausforderungen wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder fragile Lieferketten gemeinsam anzugehen. Unternehmen, die sonst Konkurrenten sind, arbeiten gemeinsam an Lösungen für Probleme, und Spitzenforschung findet ihren Weg in die Praxis. 

Dieses Vorbild aus OWL sollte in anderen Regionen und Bereichen Schule machen. Die Potenziale sind da. Wir brauchen einen Geist des Miteinanders, um uns in NRW und in ganz Deutschland aus der aktuellen wirtschaftlichen Krise herauszumodernisieren. Die schwache Konjunkturlage besorgt uns alle. Ich bin fest überzeugt, dass wir unseren Wohlstand der Zukunft nur sichern können, wenn manche Gräben überwunden und Herausforderungen angepackt werden und gemeinsam an zukunftsfähigen Lösungen gearbeitet wird.  

Produkte von morgen heute in NRW entwickeln

Ein erhebliches Potenzial liegt in dieser Hinsicht in Forschung und Entwicklung. Wenn neue Ideen und Produkte an Rhein, Ruhr und Lippe entwickelt werden, dann haben wir die Chance auf neue Märkte und auf neue Arbeitsplätze, für unterschiedlichste berufliche Qualifikationen. 

Eine Schnittstelle, die wir dabei aus meiner Sicht besonders stärken müssen, ist das Miteinander von Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Der Weg von wissenschaftlichen Erkenntnissen bis zur Anwendung ist oft noch zu weit. Politik hat hier die Aufgabe, Inhalt und Laufzeiten von Förderungen so anzupassen, dass eine Anwendung angereizt wird und Forschung nicht ungenutzt in der Schublade landet.

Mehr Fachkräfte gewinnen

Wir können dem Fachkräftemangel nur begegnen, wenn wir Zuwanderung im breiten Umfang ermöglichen und Frauen aus der Teilzeitfalle holen. Ersteres klappt nur, wenn wir eine Willkommenskultur etablieren und gegen Rassismus vorgehen. Politik hat für gute Rahmenbedingungen bei Spurwechsel, Einbürgerung und Anerkennung von Berufsabschlüssen zu sorgen. Mit der klaren Positionierung in der unpassenden Rückkehrdebatte von Syrerinnen und Syrern unmittelbar nach dem Sturz Assads haben zahlreiche Unternehmen ihren gesellschaftlichen Einfluss in unserer Einwanderungsgesellschaft deutlich und zu Recht auch geltend gemacht. 

Und noch immer gehen zu viele Frauen dem Arbeitsmarkt verloren, obwohl sie gesuchte Qualifikationen haben und gerne mehr arbeiten würden. Auch das Engagement der schwarz-grünen Landesregierung für gute Kitas ist in dieser Hinsicht Wirtschaftsförderung. 

Das Tempo der Digitalisierung erhöhen

Mehr gemeinsames Anpacken brauchen wir auch bei der Digitalisierung. Andere Länder machen vor, wie sich der Gang aufs Amt durch Modernisierung erübrigen lässt und der viel beschworene Bürokratieabbau gelingt. Dafür ist es essenziell, dass sich Verwaltungen auf allen Ebenen von Kommunen über Regierungsbezirke, Landesministerien bis hin zu Bundesministerien als Ermöglichungsbehörden verstehen. Auch hier sind Wirtschaft und Politik gemeinsam in der Verantwortung. Der Fingerzeig auf den Staat allein hilft nicht weiter. Es muss miteinander vertrauensvoll an den besten Lösungen für die anstehenden Herausforderungen und einem gleichzeitigen Bürokratieabbau gearbeitet werden.

Wir haben in NRW kürzlich den Weg für ein Pilotprojekt für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Behörden freigemacht. Und im Bund schlagen wir die Einrichtung einer Deutschland-App vor, die es Menschen und Unternehmen erleichtern soll, bürokratische Hürden digital zu meistern. 

NRW braucht einen Investitionsbooster

Und noch ein letztes Beispiel: Auch bei der Überwindung des chronischen Investitionsdefizits in NRW ist Zusammenarbeit gefragt. Die öffentliche Hand muss den Sanierungsstau bei der Infrastruktur überwinden und braucht dafür Fürsprecher aus Wirtschaft und Gesellschaft. Aber auch mehr private Investitionen sind wichtig. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur hat einen „Investitionsbooster“ vorgeschlagen, der steuerliche Vorteile für private Investitionen geben würde.

Die Zeit des Kohlelands NRW ist vorbei, es ist Zeit für das Land der Erneuerbaren Energien, das Land der klimaneutralen Industrie und das Land der Innovationen. Damit das gelingt, ist offensichtlich: Wir brauchen weniger Schuld- und Meckerdebatten und mehr Austausch darüber, wie wir in NRW vorankommen. Die aktuelle Konjunkturflaute und die schlechten Nachrichten aus den Unternehmen sollten dafür Antrieb genug sein.

Über die Autorin
MdL Wibke Brems

Vorsitzende der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW

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