Seit fast drei Jahren befindet sich die Wirtschaft unseres Landes nun im Krisenmodus. Zuerst die Corona-Pandemie, dann zusätzlich die massiven Auswirkungen auf Energieversorgung, Preise und Lieferketten durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine: Die Unternehmen sehen sich inmitten eines scheinbar nicht enden wollenden Härtetests. Da liegt es eigentlich auf der Hand, dass die Politik den Unternehmen in dieser Situation nicht noch zusätzliche Belastungen aufbürden sollte. Völlig zu Recht kündigte die Bundesregierung dann auch im Herbst 2022 bei der Vorstellung ihres milliardenschweren wirtschaftlichen Abwehrschirms gleichzeitig ein umfassendes Belastungsmoratorium für die Wirtschaft an.
Doch das Vertrauen der Unternehmen in dieses Versprechen schwindet zunehmend: Es droht zu einem leeren Lippenbekenntnis zu werden, wenn man die jüngsten arbeits- und sozialpolitischen Weichenstellungen sowie die Pläne für 2023 aus dem Bundesarbeitsministerium in den Blick nimmt. Als gäbe es die aktuellen Krisen nicht, feilen Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil und seine Mitarbeiter seit Monaten unverdrossen an bürokratischen Gesetzesvorhaben und teuren Projekten.
Auch wenn in letzter Minute das „Bürgergeld“ mit dringend notwendigen Anpassungen entschärft werden konnte: Ein fader Beigeschmack bleibt, denn dies geschah weniger durch eigene Einsicht als vielmehr nur durch Druck aus Wirtschaft, Verbänden und Opposition. Denn ursprünglich wollte Minister Heil mit seinem vor allem auch ideologisch aufgeladenen, sozialpolitischen Mammutprojekt vom bewährten Sozialstaatsprinzip „Fördern und Fordern“ abweichen. Die gröbsten Schnitzer sind jetzt beseitigt, den Praxistest allerdings muss das neue Sozialinstrument erst noch bestehen.
Bereits im Sommer 2022 hatte die Reihe bürokratischer Zusatzlasten aus dem Bundesarbeitsministerium ihren Anfang genommen: Allen Mahnungen zum Trotz wurde damals das völlig unverständliche Nachweisgesetz verabschiedet. Vordergründig sollen damit die Arbeitsbedingungen transparenter gemacht werden, tatsächlich aber zwingt der Gesetzgeber Unternehmen fortan zu überbordender Bürokratie und zu einer Rückkehr in die analoge Zettelwirtschaft.
Überbordende Bürokratie und Rückkehr in analoge Zettelwirtschaft
Für 2023 steht nun eine Reform des Arbeitszeitgesetzes und der Arbeitszeiterfassung auf dem Plan. Details liegen noch nicht vor, doch befürchten unsere Unternehmen Ungemach: Denn das Ministerium könnte das Gesetz dazu nutzen, den Betrieben starre und überzogene Aufzeichnungspflichten aufzuerlegen. Doch einen „Stechuhr-Betrieb“ mit bürokratischen Pflichten darf es nicht geben. Was Deutschland eigentlich braucht, ist ein modernes Arbeitszeitgesetz, das der sich stark gewandelten Arbeitswelt endlich Rechnung trägt – und zwar auf der Grundlage der EU-Arbeitszeitrichtlinie, die eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden als Grenze vorgibt. Wie indes diese Stunden aufgeteilt werden, sollte in Zukunft Sache von Arbeitgebern und Arbeitnehmern werden – und nicht wie bisher starr gesetzlich geregelt sein.
Auch weiterhin auf der Agenda im Hause Heil steht die Einführung eines „Mobile Arbeit Gesetzes“. Wie überflüssig! Denn spätestens die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie belegen, dass Arbeitgeber und Beschäftigte am besten wissen, wie sich mobiles Arbeiten in der betrieblichen Praxis gestalten lässt. Nicht gebraucht wird hier der Gesetzgeber. Warum aber wieder einmal etwas politisch reglementiert werden soll, was längst in der betrieblichen Praxis reibungslos funktioniert, bleibt das Geheimnis des Ministers.
Gleichermaßen unverständlich bleibt auch das sogenannte Tariftreuegesetz. Danach sollen künftig Aufträge der öffentlichen Hand nur noch an tarifgebundene Firmen gehen. Das Ziel: Die Tarifbindung steigern! Doch der Schuss würde nach hinten losgehen. Denn bisher haben Tariftreuegesetze immer nur Bürokratie, Überregulierung, überflüssige Kosten und erheblichen Mehraufwand bei Betrieben und öffentlicher Hand gebracht. Die Tarifbindung gesteigert haben sie nie. Und mindestens so schwer wiegt der strukturelle Eingriff der Politik: Ein weiteres Mal nimmt die Bundesregierung – nach Einführung und Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro – in Kauf, die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie schwer zu beschädigen. Denn sie missachtet das Prinzip der verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit, wonach die Entscheidung eines Unternehmens für eine Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband freiwillig sein muss.
„Kreativität“ beweist das Bundesarbeitsministerium auch mit ihrem Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz: Damit will die Bundesregierung die sogenannte „EU-Whistleblowing-Richtlinie“ in nationales Recht umsetzen. Doch der deutsche Gesetzentwurf geht an vielen Stellen über die Vorgaben der EU-Kommission noch hinaus. Wieder einmal werden Unternehmen am Standort Deutschland mit zusätzlicher Bürokratie belastet und für sie neue Rechtsunsicherheiten geschaffen. Dabei wäre eine deutlich praxistauglichere Umsetzung so wichtig, um eine überschießende Regulierung zu vermeiden.
Fazit: Das Versprechen der Politik, die Wirtschaft während der Krise nicht mit unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratielasten zu beeinträchtigen, löst Minister Heil nicht ein. Stattdessen versucht er, die Ampel-Regierung stramm auf der arbeits- und sozialpolitischen Überholspur zu halten. Die Folgen für die Unternehmen sind ihm dabei offensichtlich egal. Wollen die übrigen Koalitionäre ihre Zusage für ein Belastungsmoratorium einhalten, müssen sie dieser Irrfahrt jetzt dringend ein Stoppschild in den Weg stellen.