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Beschäftigung im Gastgewerbe: Suche Koch und alle anderen auch

Von Patrick Rothkopf

Präsident DEHOGA NRW, Hotel-Restaurant Rothkopf

Der Präsident von DEHOGA NRW, Patrick Rothkopf, über Konsequenzen der Corona-Pandemie für Gastronomie und Hotellerie.

Neue Antworten auf alte Fragen

Die Aussage „Früher war alles besser“ ist natürlich in ihrer Pauschalität immer falsch, aber vor der Corona-Pandemie war in Gastronomie und Hotellerie vieles tatsächlich entspannter, zumindest etwas. Das gilt beispielsweise für den Bereich der Beschäftigung. Meine Branche hatte zwischen September 2009 und dem gleichen Monat 2019 fast 100.000 neue Stellen in Restaurants, Kneipen, Hotels und Diskotheken geschaffen. Die Zahl der Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen war von rund 320.000 auf etwas über 415.000 gewachsen. Vom Gastgewerbe als Jobmotor zu sprechen, war deshalb nicht überheblich, sondern „nachzählbar“. Im März 2021 – am Ende des zweiten Lockdowns und dem Tiefpunkt der Beschäftigung lag die Zahl wiederum auf dem Niveau von 2009.

Wenn man sich vor Augen führt, dass das Gastgewerbe auch bei einer Beschäftigtenzahl jenseits der 400.000 und kurz vor Ausbruch der Corona-Krise von einem Arbeits- und Fachkräftemangel sprach, kann man sich vorstellen, was die Pandemie in der Branche angerichtet hat. Es war also schon damals nur etwas entspannter, aber nicht wirklich entspannt. Corona hat das Problem des Arbeitskräftemangels, der alle Bereiche von der ungelernten bis zur Fachkraft umfasst, also katalysiert und ins grelle Licht gezerrt. Neben steigenden Kosten in den Bereichen Energie, Lebensmitteln und Personal und den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ist der akute Mitarbeitermangel die größte Herausforderung der Branche. Tendenz: steigend!

Konsequenzen der Personalknappheit

Die Personalknappheit hat Konsequenzen – vor und hinter Tresen und Rezeption, für Betriebe und Gäste: Bestehende Prozesse in den Betrieben werden optimiert, das gastronomische Angebot genauso angepasst wie Öffnungszeiten. Die Zahl der Ruhetage steigt, Arbeitszeitmodelle werden überdacht, um sich attraktiver für potenzielle und aktuell Beschäftigte zu machen. Viele Gastronomen und Hoteliers sind heute unfreiwillig – weil es nicht anders geht – wieder stärker in das operative Geschäft eingebunden als früher, was wiederum zur Konsequenz hat, das manches Zukunftsprojekt im Bereich Digitalisierung oder Nachhaltigkeit beispielsweise nicht so vorwärts getrieben werden kann wie beabsichtigt.

Manches an unmittelbaren Umsatzverlusten kann zwar aufgefangen werden, allerdings gehen viele Umsätze, vor allen Dingen im Veranstaltungsgeschäft, verloren, weil Anfragen wegen Personalmangels schlicht nicht mehr angenommen werden können. Diese Tatsache ist nach den vergangenen Corona-Dürrejahren besonders bitter. Die Hoffnung, das aktuelle Jahr zum „Durchstartjahr“ zu machen, besteht leider für viele erst einmal nur als Hoffnung fort.  

Bleibt die Frage, was sich neben Adhoc-Maßnahmen verändern muss und was ein Verband wie wir an dieser Stelle einbringen kann. Vieles, wenn auch mit Einschränkungen, haben Unternehmerinnen und Unternehmer selbst in der Hand: In Zeiten eines Arbeitnehmermarktes muss das Gesamtpaket, das Arbeitgeber anbieten, attraktiver werden. Die Geschichte mit dem Wurm, dem Angler und dem Fisch und wem was zu schmecken hat – Sie wissen schon. Alles wird jeder auf den individuellen Prüfstand stellen (müssen): Was funktioniert, was nicht, was kann besser werden: Arbeitsbedingungen, Betriebsklima, Urlaubs- und Einsatzplanung, neue Arbeitszeitmodelle. Wir loten jetzt aus, welche Arbeitszeitmodelle künftig nötig sein werden, um interessanter zu sein – 4-Tage-Wochen inklusive. Aber natürlich bleibt eine faire Bezahlung wichtige Bezugsgröße. Der DEHOGA NRW hat im Januar, also vor dem Ukraine-Krieg, zum 1. Mai einen ambitionierten und mutigen Tarifvertrag mit deutlichen Lohnzuwächsen abgeschlossen. Auch die Azubi-Vergütungen sind stark angehoben worden, die Ausbildungsinhalte unserer Ausbildungsberufe „entrümpelt“ und angepasst. Die Inflation ist allerdings gerade dabei, die Steigerungen, die teilweise jenseits der 20 Prozent liegen, aufzufressen.

Rahmenbedingungen könnten besser sein

Verlässt man die Betriebe und schaut sich den Arbeitsmarkt insgesamt an, stellt man allerdings fest, dass der einzelne Unternehmer – und das gilt für viele andere Branchen, die mit denselben Problemen konfrontiert sind wie wir – nicht alles in der Hand hat. Die Rahmenbedingungen könnten bessere sein. Und hier kommen neben den natürlich weiterhin nötigen individuellen und Branchenaktivitäten der Staat, die Gesellschaft und die Politik ins Spiel. Insofern begrüßen wir ausdrücklich die Passagen im Sondierungspapier von CDU und Grünen, die sich des Themas annehmen:

„Für uns sind die akademische und die berufliche Bildung gleichwertig. Insbesondere mit Blick auf den aktuellen Fachkräftebedarf werden wir die duale Ausbildung und die Berufsschulen stärken. Schülerinnen und Schüler sollen durch entsprechende Angebote die großen Chancen der beruflichen Bildung systematisch und früher als bisher kennenlernen.“

  • Es beginnt also bei der Ausbildung: Wenn wir kein „durchakademisiertes“ Land haben und sein möchten und der Hinweis auf die Gleichwertigkeit von akademischer und Berufsausbildung nicht nur Lippenbekenntnis ist, brauchen wir mehr, auch staatliche Aktivitäten, die die Zukunftsfähigkeit und Chancen der Ausbildungen als Alternative zu akademischen Berufen klar machen. Dazu gehören Kampagnen, aber auch die zeitgemäße Ausstattung der Berufsschulen und der Erhalt eines flächendeckenden Netzes im Land.
  • Wer beim Stichwort demografische Entwicklung immer noch mit den Schultern zuckt, dem sei gesagt, dass eine aktive und unbürokratischere Zuwanderungspolitik von Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland in unseren Ausbildungs- und Arbeitsmarkt mehr als notwendig ist.
  • Flexiblere Arbeitszeitenregelungen bedeuten zudem in einer Zeit vieler unbesetzter Stellen keine Mehrbelastung der Arbeitnehmer, sondern bieten die Chance, gemeinsam mit den Wünschen der Beschäftigten gute Lösungen für alle zu finden.

Im Gastgewerbe kommt in Bezug auf die Beschäftigtensituation noch eine Besonderheit hinzu: Die Pandemie hat sich bei uns besonders heftig ausgetobt, weil über Restaurants, Cafés, Diskotheken und Hotels immer das Damoklesschwert von starken Beschränkungen bis hin zum Lockdown kreiste. Das bedeutete Verunsicherung bei Gastronomen und Hoteliers, aber natürlich auch bei Beschäftigten. Wer beispielsweise auf einen 450-Euro-Job angewiesen ist, sucht sich schnell eine Alternative, wenn der eigene Job nicht gesichert ist. Deshalb ist es für uns umso wichtiger, dass sich der Staat im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten, besser auf eine „Rückkehr“ des Coronavirus nächsten Herbst vorbereitet als das in den letzten beiden Jahren der Fall war. Aller guten Dinge mögen drei sein, aller schlechten nicht – vor allen Dingen, wenn es um die weitere Beschäftigung im Gastgewerbe geht. Einen 3. Coronaherbst können wir uns nicht mehr leisten.

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