Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Der Wind wird rauer - von Maximilian Plück (Rheinische Post)

Von Maximilian Plück

Leiter Redaktion Landespolitik Rheinische Post

Maximilian Plück, Ressortleiter Landespolitik der Rheinischen Post, blickt auf die zweite Hälfte der Legislaturperiode in NRW.

Zweieinhalb Jahre sind vergangen, seit Hendrik Wüst und Mona Neubaur im sonnenbeschienenen Garten des Künstlervereins Malkasten ihren Zukunftsvertrag präsentierten. Das Rekordtempo der Koalitionsverhandlungen signalisierte, dass das Bündnis frischen Wind ins Land bringen wollte – wortwörtlich. Getragen von einem radikalen Umbau der Energiewirtschaft mit 1000 neu gebauten Windrädern sollte NRW erste klimaneutrale Industrieregion Europas werden. Das klang groß und griffig.

Doch inzwischen merkt die Koalition, dass der Wind ihr in der Praxis rau entgegenbläst. Statt um die Klimaneutralität geht es inzwischen darum, dass überhaupt noch ausreichend Industrie in NRW bleibt, die man auf grün trimmen könnte. Der vorgezogene Kohleausstieg steht in Frage. Auch wenn vorrangig der Bund in Sachen Kraftwerkstrategie liefern müsste, werden Forderungen an Neubaur lauter, ihren Einfluss für ausreichend Gaskraftwerksreserve auf Parteifreund Robert Habeck geltend zu machen oder selbst Fakten zu schaffen. Hinzu kommen weitere ungelöste Fragen: Werden die auf dem Papier genehmigten Windräder rechtzeitig gebaut? Die Erneuerbare-Energien-Branche hält die Zielmarke von 1000 kaum noch für erreichbar. Und auch die Frage, woher die immensen Mengen an Wasserstoff stammen sollen, ist nicht zufriedenstellend beantwortet.

Infrastruktur: "Bereich des Neubaus rückt spürbar in den Hintergrund"

Zwar gelang in der Regierungszeit von Wüst und Neubaur mit der 3,2 Milliarden Euro schweren Rekordinvestition von Microsoft ein Ansiedlungs-Coup. Doch bei genauem Hinschauen wird klar, dass der Grundstein dafür bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode gelegt wurde. Und die lange Zeit stolz präsentierte größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes für eine Direktreduktionsanlage bei Thyssenkrupp taugt angesichts drohender Massenentlassungen und einer nachträglichen Kostensteigerung nicht mehr als werbewirksame Maßnahme. 
Zugleich ist die Zahl der Baustellen Legion. Wortwörtlich bei der Infrastruktur. Zwar hat der grüne Verkehrsminister Oliver Krischer angekündigt, dass er binnen zehn Jahren alle Straßen, Brücken und Tunnel in Zuständigkeit des Landes instand setzen will. Allerdings rückt der Bereich des Neubaus spürbar in den Hintergrund. Nennenswerte Projektfortschritte? Bislang Fehlanzeige.

Aus Sicht der Wirtschaft essenziell bleibt die Frage, wie der Fachkräftemangel adressiert wird. Zugutehalten muss man Schwarz-Grün, dass man sich nach Kräften bemüht, den Ausbildungskonsens mit Leben zu füllen und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu beschleunigen. Wenn es jedoch darum geht, das Erwerbspotenzial von Frauen zu erhöhen, hapert es: Beim OGS-Anspruch verweigert das Land bislang ein Ausführungsgesetz, nach dem Städte und Gemeinden rufen. Die Sorge vor einer erneuten finanziellen Überforderung in den Kämmereien ist groß. Ohnehin ist die Finanzlage der Kommunen aufgrund immer mehr übertragener Aufgaben bei unzureichender Finanzierung extrem angespannt. Schwarz-Grün bezeichnet sich zwar gerne als kommunalfreundlich. Das sehen die so Vereinnahmten anders. Mit dem ersten Anlauf einer Altschuldenlösung schoss die Landesregierung ein Eigentor. Statt eigenes Geld in die Hand zu nehmen, sollten die Kommunen selbst dafür aufkommen. Das ist inzwischen landesseitig korrigiert. Doch weil der Bund bislang nicht mitspielt, bleibt das Problem bestehen. 

“Der Spielraum für eigene Akzente schwindet”

Noch haben all die Baustellen der Beliebtheit der Landesregierung nichts anhaben können. Die Zustimmungswerte insbesondere für den Ministerpräsidenten sind hoch. Zuletzt hatte der grüne Koalitionspartner Federn lassen müssen: Justizminister Benjamin Limbach war wegen seiner umstrittenen Besetzungspolitik höchstrichterlich zurückgepfiffen worden und handelte der Regierung einen weiteren Untersuchungsausschuss ein. Umweltminister Krischer erlitt Schiffbruch bei dem Versuch, NRW einen zweiten Nationalpark zu bescheren. Flüchtlingsministerin Josefine Paul geriet wegen der gescheiterten Abschiebung des Attentäters von Solingen unter Druck – auch hier wird ein Untersuchungsausschuss Versäumnisse aufarbeiten.

In den kommenden Monaten dürften zudem die Spielräume für das Land schrumpfen. Angesichts der erneuten düsteren Aussichten bei den Steuereinnahmen hat Finanzminister Marcus Optendrenk schon angekündigt, dass er die Ausnahmemöglichkeiten der Konjunkturkomponente der Schuldenbremse voll nutzen muss, zugleich dürften alle Häuser noch mehr zum Sparen verdonnert werden. Der Spielraum für eigene Akzente schwindet. In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode dürfte der Wind noch rauer werden.

Über den Autor
Maximilian Plück

Leiter Redaktion Landespolitik Rheinische Post

Zum Autor