Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Die Attraktivität des Investitionsstandorts erhöhen

Von Prof. Dr. Christoph M.  Schmidt

Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschafts-forschung und Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Von 2009 bis 2020 war er Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, von 2013 bis 2020 dessen Vorsitzender. Seit 2024 ist er Mitglied der von der Bundesregierung berufenen Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).

Mutige Schritte seien nötig, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, schreibt RWI-Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Christoph M. Schmidt im Blog.

Um den Wirtschaftsstandort Deutschland ist es aktuell nicht gerade zum Besten bestellt. Die aktuelle Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland dokumentiert eindrucksvoll, wie sehr die wirtschaftliche Erholung der deutschen Wirtschaft vom Rückschlag der COVID19-Pandemie von derjenigen anderer großer Volkswirtschaften abweicht: Während Volkswirtschaften wie Frankreich, Spanien oder die USA mittlerweile wieder auf ihren ursprünglichen langfristigen Wachstumspfad zurückgekehrt sind, ist das Deutschland erkennbar nicht gelungen. Strukturelle Schwächen wie hohe Energiepreise, veraltete Verwaltungsstrukturen und steigende Regulierung hemmen die Wettbewerbsfähigkeit massiv. Daher sind mutige Schritte nötig.

Strukturwandel zulassen

Nordrhein-Westfalen gilt als industrielles Herz Deutschlands. Noch sind hier einige der bedeutendsten Branchen wie Chemie, Metall und Maschinenbau beheimatet. Doch die Konkurrenz wächst, insbesondere auf den globalen Märkten. China ist nicht mehr nur Absatzmarkt, sondern ein starker Wettbewerber. Zusätzlich belasten hohe Energiepreise und eine lahmende Digitalisierung die heimischen Unternehmen. Um den Industriestandort NRW zu sichern und seine Unternehmen auf die Zukunft auszurichten, müssen dringend Strukturen reformiert und Investitionen erleichtert werden.

Dabei liegen die Wachstumsmotoren der Zukunft aller Voraussicht nach in der kommerziellen Nutzung von Künstlicher Intelligenz oder Quantentechnologien, in denen deutsche Unternehmen bislang keine internationale Führungsrolle einnehmen. Um die verlorene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zurückzugewinnen, ist ein radikaler Strukturwandel erforderlich, der wiederum nur gelingen kann, wenn private Geldgeber massiv in die Zukunft investieren. Dazu bräuchte es vor allem eines: eine Politik, die unternehmerisches Handeln wertschätzt.

Das wirtschaftspolitische Münchhausen-Syndrom

Dass diese Botschaft bei der Politik angekommen ist, lässt sich im aktuellen Wahlkampf bislang nicht erkennen. Weit verbreitet ist offenbar die Einschätzung, mit dem Einsatz öffentlicher Mittel ließen sich die begehrten privaten Investitionen anregen, ohne dass sich an den grundlegenden Rahmenbedingungen – hohen Unternehmenssteuern, analogem Verwaltungshandeln, steigender Staatsquote, zunehmendem Regulierungsdickicht oder unzureichenden Arbeitsanreizen – etwas ändern müsse. Stattdessen krankt die Wirtschaftspolitik an einer Art Münchhausen-Syndrom: Statt grundlegende Reformen anzugehen, werden immer neue Subventionen vorgeschlagen, um private Investitionen anzuregen – und damit selbst verursachte Probleme zu behandeln.

Die einzige Hoffnung auf eine echte Wende für die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft liegt in einem drastischen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik. Das Ziel eines solchen Kurswechsels müsste es sein, bei Investoren mehr Vertrauen zu erzeugen. Es gibt dafür auch einen wirkmächtigen Hebel: eine Rückbesinnung auf eine marktwirtschaftliche Ordnung, die Anpassungsprozesse beflügelt und nicht hemmt. Einen ersten, zaghaften Schritt in diese Richtung hatte die Ampelregierung noch in Gang gesetzt, die sogenannte Wachstumsinitiative, die unter anderem bei den Arbeitsanreizen ansetzen sollte. Die entscheidenden Weichen für einen investitionsfreundlicheren Standort müsste zweifellos der Bund stellen.

Inland modernisieren – Auslandsinvestitionen anlocken

Gleichwohl haben Bundesländer eigene Gestaltungsmöglichkeiten, wenn es darum geht, im Wettbewerb mit anderen Standorten für ausländische Direktinvestitionen (FDI) attraktiv zu sein. Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat jüngst im Rahmen des Konjunkturberichts NRW die Zusammensetzung und Entwicklung der für NRW vergleichsweise bedeutsamen jährlichen FDI untersucht. Dabei zeigt sich, dass NRW sich bislang nicht vom Bundestrend rückläufiger FDI abkoppeln konnte. Wie ließe sich da wirksam Abhilfe schaffen? Ein Ansatzpunkt, der allerdings echte Kärrnerarbeit bedeutete, wäre die konsequente Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.

Außerdem verfügt NRW über eine exzellente Wissenschaftslandschaft. Hochschulen und Forschungseinrichtungen könnten mit Start-ups und etablierten Unternehmen stärker vernetzt werden, um im Bereich Industrie 4.0 und klimaneutraler Industrieproduktion zu wachsen. Technologien wie die CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) könnten dazu beitragen, den heimischen Industrien ein wettbewerbsfähiges Umfeld zu bieten.

Über den Autor
Prof. Dr. Christoph M. Schmidt

Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschafts-forschung und Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Von 2009 bis 2020 war er Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, von 2013 bis 2020 dessen Vorsitzender. Seit 2024 ist er Mitglied der von der Bundesregierung berufenen Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).

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