235 Euro – so viel kostete eine Megawattstunde Strom im Jahr 2022 im Schnitt an der Strombörse. Die Zahl fasst das Problem der Industrie in Deutschland zusammen. Denn 2020 lag der Preis im Jahresschnitt noch bei 30 Euro. Für energieintensive Branchen wie die Aluminium-, Stahl- oder die Chemieindustrie bedeuten die hohen Strompreise eine enorme Belastung. Der Strompreis in Deutschland liegt auch weit über dem internationalen und europäischen Durchschnitt. Damit schadet er auch der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe. Standorte könnten geschlossen werden, Arbeitsplätze verloren gehen. Zudem gefährden zu hohe Stromkosten die Transformation hin zu einer klimaneutralen Produktionsweise: Denn die erfordert massive Investitionen. Wegen der hohen Energiekosten in Deutschland könnten solche strategischen Investitionen in grüne Technologien aber im Ausland stattfinden, die Arbeitsplätze der Zukunft dort entstehen.
Vor diesem Hintergrund fordert die IG Metall für die energieintensiven Branchen einen Industriestrompreis, der dem europäischen Vergleich standhält, international wettbewerbsfähig ist und langfristige Planbarkeit gewährleistet. Da auch die Gas- und Strompreisbremse in ihrer Wirkung für die energieintensive Industrie begrenzt ist und im April 2024 auslaufen wird, drängt die Zeit: Es braucht möglichst kurzfristig einen Industriestrompreis für einen eingegrenzten Sektor besonders betroffener Branchen und Betriebe im internationalen Wettbewerb, an denen hunderttausende gut bezahlte, tariflich abgesicherte Arbeitsplätze direkt und indirekt hängen. Es muss vor allem gelingen, die Grundstoffindustrie in NRW zu halten. Andernfalls wird das dramatische Auswirkungen auf den gesamten Industriestandort und die Arbeitsplätze hierzulande haben – weit über die direkt betroffenen Branchen hinaus. Nur weitgehend geschlossene Wertschöpfungsketten mit einer eigenständigen Grundstoffindustrie gewährleisten Resilienz und strategische Souveränität des Industriestandortes NRW. Zudem muss es Ziel sein, Standortbedingungen so zu gestalten, dass sie insbesondere für die Neuansiedlung künftiger Schlüsseltechnologien attraktiv sind.
Ein Industriestrompreis für internationale Wettbewerbsfähigkeit und langfristige Planbarkeit
Die IG Metall begrüßt, dass sich sowohl die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur als auch der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, klar zur Notwendigkeit eines Industriestrompreises bekennen und konkret ins Handeln kommen. Das Arbeitspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) enthält wichtige Eckpunkte: Die klare Eingrenzung auf die energieintensive Industrie und eine zeitliche Befristung als Brücke, bis ausreichend günstige regenerative Energie zur Verfügung steht, ist notwendig, um Mitnahmeeffekte zu vermeiden. Mit einer Dauer von sechs Jahren bietet diese Brücke den Unternehmen jedoch nicht genügend Planungs- und Investitionssicherheit. Aus unserer Sicht ist es unverzichtbar, dass Unternehmen, die von dem Industriestrompreis profitieren wollen, zu Investitionen in die Transformation, zu Standortgarantien und Tariftreue verpflichtet werden müssen. Wichtig ist, dass Betriebsräte und zuständige Gewerkschaften dabei eng einbezogen und Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung getroffen werden. Dafür hatte sich die IG Metall mit Nachdruck eingesetzt. Der avisierte Brückenstrompreis von 6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) geht in die richtige Richtung. Aus Sicht der IG Metall ist allerdings ein Industriestrompreis von 5 Cent/KWh geboten. Diese Höhe orientiert sich an Strompreisen auf dem europäischen Markt. Notwendige Maßnahmen, wie mittel- und langfristige finanzielle Hilfen für Investitions- und Betriebskosten, greift das BMWK im Arbeitspapier nicht auf. Hier muss nachgebessert werden. Auch der vorgesehene langfristig wirkende Transformationsstrompreis greift zu kurz.
Insgesamt ist das Arbeitspapier aber eine gute Grundlage, auf der die Bundesregierung nun zügig zu einer Entscheidung kommen muss. Denn wenn es nicht schnell einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis für die energieintensive Industrie gibt, dann gehen die Lichter aus. Und das nicht, weil Strom fehlt, sondern weil er nicht mehr bezahlbar ist und die Unternehmen dahin abwandern, wo diese Voraussetzungen gegeben sind.