Die Steuerpolitik und die Haushaltspolitik des Bundes geraten so langsam in den Fokus des beginnenden Bundestagswahlkampfes. Angesichts der immer wiederkehrenden Sonderbelastungen – erst die Finanzkrise, dann Corona und jetzt das „Jahrhundert“-Hochwasser – werden Forderungen nach Steuererhöhungen laut. Das kann nicht überraschen, wenn insbesondere der Bundeshaushalt schon in normalen Zeiten ausgeschöpft wird und kaum Reserven für unvorhergesehene Zeiten bereithält.
Was heißt das für die vor uns liegenden Steuer- und Haushaltsjahre?
Ab dem nächsten Jahr geht die mittelfristige Finanzplanung des Bundes von einem strukturellen jährlichen Haushaltsdefizit von rund 100 Milliarden Euro aus. Damit wären knapp ein Viertel der Ausgaben des Bundes nicht durch Einnahmen gedeckt. Selbst unter Aufbietung aller Reserven und nicht ausgeschöpfter Ausgaben bliebe es bei einem hohen zweistelligen Betrag, der nach gegenwärtigem Stand der Dinge nicht nur 2022, sondern auch 2023 die Einhaltung der Schuldenbremse des Grundgesetzes gefährden würde.
Die Schuldenbremse wurde aber genau für eine solche Lage in das Grundgesetz geschrieben. Sie lässt Spielraum für Verschuldung in Notlagen, sie kann ausgesetzt werden in besonderen Notlagen, aber sie kann nicht auf Dauer außer Kraft gesetzt und sie sollte keinesfalls abgeschafft werden. Auch jede der jetzt diskutierten ‚Modifikationen‘ läuft in Wahrheit auf ihre Abschaffung hinaus, und genau das wäre ein schwerer politischer Fehler. Unsere Erfahrung aus den letzten Jahrzehnten und jeder Vergleich mit anderen europäischen Ländern (Japan und die USA sind jeweils für sich in einer anderen, mit Deutschland nicht vergleichbaren Lage!) zeigt: Dort wo die Staatsfinanzen in Ordnung sind, sind auch die Arbeitsmärkte intakt, sprich: bei soliden Haushalten gibt es stabile Arbeitsmärkte, und umgekehrt: Alle Länder in Europa (und es sind fast alle) mit höheren Schulden als Deutschland weisen höhere Arbeitslosenraten auf. Diese Evidenz hat sich über lange Jahre immer wieder erwiesen.
"Den richtigen Weg in der Steuer- und Haushaltspolitik zu finden, dürfte eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Bundesregierung sein."
Statt noch höhere Schulden wären auch höhere Steuern denkbar. Aber diese Zitrone ist in Deutschland weitgehend ausgequetscht, bis hin zum Tarifsprung in der letzten Tarifgruppe unseres Einkommensteuertarifs. Wir haben also diese von der SPD geforderte „Reichensteuer“ bereits, und genauso verhält es sich mit der Vermögensteuer. Überall auf der Welt geht der Trend bei existierender Vermögensteuer dahin, sie auf Immobilien zu konzentrieren, da der Erhebungsaufwand bei allen anderen Vermögenswerten viel zu groß wäre. Auch diese Vermögensteuer haben wir bereits, sie heißt bei uns „Grundsteuer“. Bleibt eine höhere Mehrwertsteuer oder einen höhere Erbschaftsteuer. Auch bei diesen Steuerarten gibt es keinen Spielraum mehr nach oben, eine höhere Erbschaftsteuer würde die Familienunternehmen massiv zusätzlich belasten, die Mehrwertsteuer die Konsumausgaben der unteren Einkommen überproportional treffen.
Also wird der deutsche Steuerstaat in Zukunft doch wieder mit dem Geld auskommen müssen, das er aus den vorhandenen Steuermitteln einnimmt, und das sind mit rund 900 Milliarden Euro in diesem Jahr doch erhebliche Summen. Da geht noch mehr, aber das setzt voraus, dass unsere Volkswirtschaft weiter wächst und mit diesem Wachstum die Steuereinnahmen organisch wachsen. Eine Absenkung der Steuerbelastung wäre für diesen Wachstumsprozess wünschenswert, aber Steuersenkungen bleiben angesichts der erheblichen Belastungen bis auf weiteres Wunschdenken.
Allerdings gäbe es doch einige Möglichkeiten, die Ausgaben neu zu priorisieren und sie mit privatem Kapital so zu kombinieren, dass daraus Wachstum und zusätzliche Beschäftigung wird. Bei der Priorisierung der Ausgaben müsste eine Konzentration auf Investitionen mit einem strikten Moratorium neuer Konsum- und Sozialausgaben verbunden werden. Gerade in der Sozialpolitik wäre noch vieles wünschenswert, aber jetzt müssen für eine gewisse Zeit die in den letzten Jahren erheblich vernachlässigten Ausgaben in unsere Infrastruktur und die Schaffung eines breiteren und tieferen Kapitalmarktes Vorrang haben. Dazu kann auch eine bessere kapitalgedeckte Altersversorgung beitragen, die – richtig gemacht – sogar beides ermöglichen kann, Investitionen in die Kapitalbasis unserer Volkswirtschaft u n d eine bessere soziale Absicherung unserer Bevölkerung für das Alter.
Den richtigen Weg in der Steuer- und Haushaltspolitik zu finden, dürfte eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Bundesregierung sein. „Wir können uns alles leisten!“ – diesen Satz von Olaf Scholz dürfte der nächste Bundesfinanzminister jedenfalls nicht wiederholen.