Deutschland beendet 2024 das zweite Jahr in Folge in der Rezession. Das gab es seit Gründung der Bundesrepublik nur einmal und es folgte die Agenda 2010. Nicht weniger groß ist der Reformbedarf heute. Deutschland braucht eine Wirtschaftswende, die diesen Namen auch verdient. Wir müssen zu dem Vertrauen zurückfinden, dass unser Land mit seiner starken unternehmerischen Basis wirtschaftliche Turnarounds schaffen kann.
Dabei ist der derzeitige wirtschaftliche Zustand keine überraschende Entwicklung: Der deutsche Anteil an den weltweit größten Unternehmen schrumpfte schon lange vor der Corona-Krise, genauso Gründungsquote, Patentanmeldungen und Wachstumsinvestitionen. In Wettbewerbsfähigkeits-Rankings wurde Deutschland seit 2014 fast 20 Plätze nach hinten durchgereicht. Jetzt denken Unternehmen über Arbeitsplatzabbau nach oder verlagern ihre Produktion in andere Länder. Dabei geht es nicht um Zahlen in Statistiken, sondern es geht für die Menschen um die ganz konkrete Lebensperspektive: Kann ich meiner Familie und mir etwas aufbauen?
Auf Stärken der Sozialen Marktwirtschaft zurückbesinnen
Viele Probleme sind auf kurzsichtige Entscheidungen des letzten Jahrzehnts zurückzuführen – doch unsere heutige Verantwortung ist, unserem Land nun einen Weg nach vorn zu weisen: Wie dämpfen wir die Inflation weiter ein? Wie erhalten wir Arbeitsplätze und schaffen neue, wo technologischer Fortschritt überholte Geschäftsmodelle ablöst? Wie sorgen wir dafür, dass sich Arbeit lohnt und Menschen sich etwas aufbauen können? Wie machen wir Unternehmertum einfacher und attraktiver? Kurzum: Wie wird Deutschland wieder international wettbewerbsfähig? Gute Zukunftsperspektiven sind das, was uns heute wieder stark machen kann.
Wir müssen uns dafür auf die Stärken der Sozialen Marktwirtschaft zurückbesinnen. Dazu gehört: Arbeiten muss sich lohnen. Heute sind wir Weltmeister bei Steuern und Abgaben, die Unternehmenssteuern sind zu hoch, ebenso die Abzüge auf dem Lohnzettel, das Netto vom Brutto zu wenig. Wir müssen nicht bloß kontinuierlich weiter die Kalte Progression bei der Einkommensteuer ausgleichen, sondern Menschen und Unternehmen darüber hinaus entlasten. Das motiviert, sich anzustrengen und etwas zu leisten – wenn wir diese Mentalität wieder stark machen, machen wir auch unser Land wirtschaftlich wieder stark.
“Der Sozialstaat darf nicht das Vertrauen derer verlieren, die ihn finanzieren.”
Gerade die fleißig arbeitenden Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft sind es, die unserem Land auch einen funktionierenden Sozialstaat ermöglichen. Doch dessen Akzeptanz schwindet immer weiter. Niemand ist dagegen, Menschen etwa nach einem Schicksalsschlag zu unterstützen. Wenn aber die Grundsicherung zum Lebensmodell wird, haben viele zurecht kein Verständnis, deshalb müssen und werden wir Sanktionen schärfer machen als sie sogar zu Hartz-IV-Zeiten waren. Zugleich wird es gerade Leistungsempfängern zu oft zu schwer gemacht, sich selbstwirksam vom Sozialstaat zu lösen – mit faireren Hinzuverdienstregeln würde das besser gelingen. Wer hingegen zumutbare Arbeit verweigert, dem muss die Unterstützung soweit rechtlich möglich gestrichen werden. Der Sozialstaat darf nicht das Vertrauen derer verlieren, die ihn finanzieren.
Doch die Frage nach der Zukunft des Sozialstaats geht weit darüber hinaus: Kein soziales Sicherungssystem steht so sehr auf der Kippe wie die Gesetzliche Rente. Gerade junge Menschen zweifeln zurecht, ob aus ihren Beiträgen überhaupt noch einmal reale Rentenansprüche werden. Es ist eine Frage des Respekts vor der Lebensleistung aller Generationen, unser Rentensystem zukunftsfest aufzustellen. Mit einem flexiblen Renteneintritt und einer Aktienrente nach dem Vorbild Schwedens gäbe es eine Chance, dass in Zukunft wieder die Rente steigt – und nicht der Beitragssatz. Nichts anderes muss das Ambitionsniveau in der Rentenpolitik sein. Wenn wir zeigen, dass solche Jahrhundertreformen möglich sind, gewinnen wir auch zerrüttetes Vertrauen zurück – in die Politik, aber gerade auch den Wirtschaftsstandort und nicht zuletzt die Fähigkeit der Demokratie, in Jahrzehnten zu denken.
Das Problem Bürokratie
Schließlich hat Deutschlands Wirtschaft ein großes Problem, das Unternehmer wie ihre Beschäftigten gleichermaßen umtreibt: Es ist die Bürokratie. Nahezu jeder hat mit ihr zu tun. Krankenpfleger füllen Zettel aus, anstatt für ihre Patienten da sein zu können. Unternehmen beschäftigen ganze Abteilungen, die nichts anderes tun, als Berichtspflichten nachzukommen. Dank der FDP haben wir in den letzten Jahren beim nationalen Bürokratieabbau einen Schritt nach vorn gemacht. Aber die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen baute in den letzten Jahren schneller Bürokratie auf, als wir sie national abbauen konnten – das muss sich ändern. Wenn Bürokratie die Menschen und die Unternehmen lähmt, lähmt sie das ganze Land. Der erste Schritt: Das bürokratische deutsche Lieferkettengesetz muss endlich weg – nicht in Worten, sondern in echten Taten!
Es ist nicht nur eine Notwendigkeit für die Zukunft des Standorts, dass wir in Deutschland eine Wirtschaftswende schaffen. Es ist auch eine Frage des Respekts: Vor den Menschen, die täglich fleißig arbeiten, am Ende des Monats etwas davon übrig haben und um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes wissen wollen. Vor den Unternehmerinnen und Unternehmern, deren Mut und Risikobereitschaft belohnt und nicht bestraft werden sollte. Vor unseren Kindern, die in einem wirtschaftlich gesunden Land alle Lebenschancen haben sollen.
Deutschland ist das Land der Gründerzeit und des Wirtschaftswunders und hat in diesem Jahrhundert mit der Agenda 2010 schon einmal den Turnaround geschafft. Nicht weniger als das zu wiederholen, sollte unser Anspruch sein. Unser Land braucht mutige Reformen – und es braucht den Mut, Tatendrang, Fleiß und Einsatz jeder und jedes Einzelnen. Es kann gelingen, gemeinsam als Gesellschaft ein Wirtschaftswachstum zu schaffen, auf das wir wieder stolz sein können. Wenn wir den Willen haben, vorne zu sein, statt nur dabei – bei Olympiamedaillen ebenso wie bei der wirtschaftlichen Stärke.