Der NRW-Wirt­schafts­blog
Klartext
im Westen

Die Zukunft Europas liegt in unseren Händen

Von Hans Jürgen  Kerkhoff

Bis 2022 Präsident der Wirt­schafts­ver­ei­ni­gung Stahl

Klartext im Westen: Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirt­schafts­ver­ei­ni­gung Stahl, schreibt für den NRW-Wirt­schafts­blog über die Zukunft Europas.

Europa und Stahl – beides ist historisch eng miteinander verwoben. Liegt der Ursprung der Europäischen Union doch in der früheren Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Seitdem ist die Stahlindustrie in Europa fest mit dem europäischen Projekt verbunden. Und auch heute bekennt sich die Branche in Deutschland zum gemeinsamen Staatenverbund. Deswegen haben die Stahl­un­ter­nehmen ihre Belegschaften dazu aufgerufen, sich am 26. Mai 2019 an der Europawahl zu beteiligen.

Viele persönliche Lebenswege sind heute ohne das vereinte Europa kaum noch vorstellbar. Für mein Studium verschlug es mich unter anderem nach Großbritannien. In meiner Laufbahn bei der Wirt­schafts­ver­ei­ni­gung Stahl lernte ich als Leiter des Brüsseler Büros die Hauptstadt Europas kennen und schätzen. Die erlebte Freizügigkeit in der Europäischen Union ist für mich ein Wert, für den es sich zu kämpfen lohnt.

Die Verteidigung der europäischen Idee und Werte wird durch die aktuellen Heraus­for­de­rungen für die europäischen Partner zunehmend schwieriger: Das Wachstum des Welthandels hat sich verlangsamt und die gesell­schaft­liche Zustimmung zur Globalisierung abgenommen. Weltweit nehmen im Gegenzug der Protek­tio­nismus und die Abschottung zu. Multilaterale Organisationen wie die Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­tion haben ihre ordnende Kraft eingebüßt und somit ihre Wirk­mäch­tig­keit gegen staats­ka­pi­ta­lis­ti­sche Strömungen und zunehmende protek­tio­nis­ti­sche Regel­ver­let­zungen weitgehend verloren.

Und die Heraus­for­de­rungen werden weiter zunehmen, denn der Welthandel entfernt sich vom fairen Wettbewerb. Blicken wir in Richtung USA, so sehen wir uns möglichen Importzöllen im Auto­mo­bil­be­reich gegenüber. Stahl aus Europa ist bereits seit mehr als einem halben Jahr mit Strafzöllen belegt. Wir können nur erahnen, welchen Schritt der US-amerikanische Präsident als Nächstes plant. Auf Ebene der G20-Staaten drängt die Europäische Union auf den Abbau von Subventionen. Hier steht insbesondere China in der Verantwortung. Neben der zentralen Handelspolitik kann auch europäische Indus­trie­po­litik eine Antwort auf diese neuen inter­na­tio­nalen Veränderungen sein.

Vielmehr sind es die Errun­gen­schaften und Vorteile eines vereinten Europas für jeden Einzelnen von uns, die betont werden müssen.

Dem Europäischen Parlament wird bei der Bewältigung dieser Heraus­for­de­rungen eine entscheidende Rolle zukommen: Mit der Europawahl im Mai wird auch die politische Ausrichtung in der Europäischen Union in den kommenden Jahren bestimmt. Im globalen Machtgefüge zwischen China, Russland und den USA können wir zwar versuchen, uns einzeln Gehör zu verschaffen. Wirklich sicher ist uns die Aufmerksamkeit allerdings nur, wenn wir als Europäer für unsere Grundwerte gemeinsam einstehen. Die Antwort auf die inter­na­tio­nalen Heraus­for­de­rungen kann nicht in einem „weniger Europas“ liegen. Deshalb sollten wir der Europäischen Union den Rücken stärken und sie zu einem entschie­de­neren Auftreten bei inter­na­tio­nalen Verhandlungen ermutigen.

Für die Stahlindustrie in Deutschland ist die europäische Integration auch eine Erfolgs­ge­schichte. Besonders hervorzuheben ist der gemeinsame Binnenmarkt: Rund 80 Prozent des in Deutschland produzierten Stahls werden in der Europäischen Union weiter­ver­ar­beitet. Daher ist der freie und faire Handel mit den anderen Mitglieds­staaten für uns von großem Wert.

Ich will damit sagen: Dies sind nicht die Zeiten, in denen wir uns mit Kritik an der Europäischen Union aufhalten sollten. Am Ende schaden wir uns damit nur selbst. Vielmehr sind es die Errun­gen­schaften und Vorteile eines vereinten Europas für jeden Einzelnen von uns, die betont werden müssen.

Die Europawahl im Mai entscheidet über die künftige Entwicklung der Europäischen Union und somit auch über Wohlstand und Frieden. Wir können daran mitwirken, dass die Gemeinschaft gestärkt aus dieser Wahl hervorgeht. Denn die Zukunft Europas liegt in unseren Händen.

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Hans Jürgen Kerkhoff

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