Der NRW-Wirt­schafts­blog
Klartext
im Westen

Digital Work - Digital Justice

Von Dr. Jürgen vom Stein

Präsident des Landes­ar­beits­ge­richts Köln

"Die Arbeits­ge­richts­bar­keit ist zeitgemäß digital aufgestellt", schreibt Dr. Jürgen vom Stein, Präsident des Landes­ar­beits­ge­richts Köln, im NRW-Wirt­schafts­blog.

Die neue Arbeitswelt 4.0 ist für die über 7 Mio. Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen in NRW mit starken Veränderungen verbunden. Flexibilität, Agilität, Selbst­be­stim­mung und Digi­ta­li­sie­rung sind nur einige markante Parameter aktueller Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse. Der moderne – transformierte – Wirt­schafts­standort NRW braucht auch eine zeitgemäße Gerichts­bar­keit zur Konfliktlösung und Streit­ent­schei­dung. Um die damit verbundenen Heraus­for­de­rungen zu bewältigen, hat auch die Arbeits­ge­richts­bar­keit in NRW eine Phase großer Veränderungen bewältigt und (weitgehend) abgeschlossen. Der – papier­ge­bun­dene – Arbeits­ge­richts­pro­zess, wie er seit 1926 die Tätigkeit der Arbeits­ge­richte nunmehr fast 100 Jahre prägte, ist durch den neuen digitalen Arbeits­ge­richts­pro­zess abgelöst.

Elek­tro­ni­sche Kommu­ni­ka­tion

Für die Kommunikation mit den Gerichten können Rechts­an­walts­kanz­leien, Verbände, Gewerkschaften und Behörden inzwischen rein elektronische Kommu­ni­ka­ti­ons­wege nutzen. Durch schnelle und sichere Verbindungen ist der Weg zur Justiz einfacher und schneller geworden.

Papier­loses Gericht

Die Bearbeitung der eingereichten Schriftstücke erfolgt bei den Arbeits­ge­richten in NRW rein elektronisch durch E-Akten-Programme. Im Laufe des Jahres 2023 werden auch die drei Landes­ar­beits­ge­richte umgestellt sein. Dann arbeitet die Arbeits­ge­richts­bar­keit in NRW als eine der ersten Gerichts­bar­keiten in NRW fast vollständig papierlos.

Video­ver­hand­lungen

Die Corona-Pandemie hat bei der technischen Ausrüstung der Justiz wie ein „Turbo“ gewirkt. Die Sitzungssäle der Gerichte sind technisch aufgerüstet worden. Die Arbeits­ge­richte können  den Parteien, ihren Bevoll­mäch­tigten, Zeugen und Sach­ver­stän­digen anbieten, sich zu einer mündlichen Verhandlung per Video zuzuschalten. Das Bundes­jus­tiz­mi­nis­te­rium in Berlin hat ausgehend von einem Beschluss der Herbst­kon­fe­renz 2021 der Justiz­mi­nis­te­rinnen und Justizminister aktuell einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Video­ver­hand­lungen bei Gerichten noch ausweiten soll. Die Digi­ta­li­sie­rung unserer Gesellschaft erfordert auch von der Justiz veränderte Formen der Prozessführung und des Verhandelns. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des gesell­schaft­li­chen Wandels beim Klimaschutz werden sie Teil der neuen digitalen Gerichtskultur sein. Allerdings ist Augenmaß geboten. Die elektronische Kommunikation erreicht nicht das Niveau eines persönlichen Austausches. Es wird auch in Zukunft Verfah­rens­ge­gen­stände und Verhand­lungs­si­tua­tionen geben, die einen persönlichen Austausch erfordern.

Remote Work

Die digitale Arbeitsweise der Arbeits­ge­richte eröffnet neue Möglichkeiten bei der Binnen­or­ga­ni­sa­tion der Gerichts­bar­keit. Stand­ort­über­grei­fendes Arbeiten erleichtert in Zukunft, Perso­nal­aus­fälle bei den Gerichten zu kompensieren. Gleichzeitig können die Beschäftigten mobil und flexibel arbeiten, so dass die Justiz moderne, fami­li­en­freund­liche Arbeitsplätze anbieten kann.

Legal-Tech

Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch, was nicht zuletzt der Hype um „ChatGPT“ zeigt. Rechts­an­walts­kanz­leien und Unternehmen nutzen KI zur Unterstützung ihrer Arbeit bereits jetzt in vielfältiger Weise. Auch die richterliche Arbeit könnte – und sollte – durch den Einsatz von KI unterstützt werden. Erste Pilotprojekte insbesondere für Massen­ver­fahren im Bereich des Reiserechts oder der „Dieselklagen“ sind von den Justiz­ver­wal­tungen der Länder bereits auf den Weg gebracht worden. Der Einsatz von KI im (Arbeits­ge­richts-) Prozess muss allerdings zwei grundlegende Voraus­set­zungen erfüllen:

Einerseits muss KI transparent und vertrau­ens­würdig sein. Außerdem darf nur KI zum Einsatz kommen, die die richterliche Arbeit unterstützt und nicht ersetzt. Anders als im Bereich der Staats­ver­wal­tung, wo Vorschriften – etwa bei der Finanz­ver­wal­tung – heute schon die Möglichkeit vorsehen, Bescheide vollständig automatisiert zu erstellen, ist die recht­spre­chende Gewalt gemäß Art. 92 GG Richterinnen und Richtern anvertraut. Ein „Robo-Judge“ ist in Deutschland auch in Zukunft nicht möglich - und auch nicht erstrebenswert.

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Dr. Jürgen vom Stein

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