Begriffe wie „Digitalisierung“ und „Industrie 4.0“ sind in aller Munde. Doch viele Zeitgenossen verbinden damit noch immer eher Risiken als Chancen – vor allem mittlere und kleinere Unternehmen. Als Geschäftsführer eines traditionsreichen Familienunternehmens mit 25 Mitarbeitern kann ich jedoch sagen: Die technische Weiterentwicklung ist für jede Unternehmensgröße beherrschbar – wichtig ist, Schritt für Schritt vorzugehen. Tradition bedeutet nicht, sich den modernen Anforderungen zu verweigern. Und die Politik kann uns Unternehmern dabei tatkräftig helfen!
So haben wir uns auch bei Emde dem digitalen Wandel gestellt: Vor rund 30 Jahren gab hier genau ein Telefon, kein Fax, von sonstiger EDV ganz zu schweigen. Doch schon da war uns klar: Die Zukunft der Produktion wird anders aussehen. Nach und nach haben wir jedes Jahr die Digitalisierung in unserem Unternehmen vorangetrieben.
Bereits in den 1990er Jahren begannen wir, auf computergestütztes Design (CAD) umzusteigen und so Stanzwerkzeuge mit Hilfe eines IT-Programms zu konstruieren. Kurze Zeit später startete die Übertragung von Fertigungsdaten auf die Maschinen, zunächst mit Disketten, später mit einer intelligenten Schnittstellentechnik. Um die großen Datenvolumen zu bewältigen, installierten wir bereits damals ein Glasfasernetz bei Emde – während manche Branchenkollegen noch heute darüber diskutieren, ob dies in Zukunft notwendig sei.
Dann bauten wir auf Basis eines Einkaufsportals und einer internetbasierten Datenschnittstelle die elektronische Lieferkette zu unseren Kunden aus. Auch die Produktions- und Lieferplanung wurde Schritt für Schritt digitalisiert, so dass heute alle Produktionsstufen und das Qualitätsmanagement digital gesteuert und dokumentiert werden. Die gesamte Wertschöpfungskette und alle beteiligten Stellen – Einkauf, Produktion, Vertrieb und Verwaltung – im Unternehmen sind vernetzt. Momentan arbeiten wir noch daran, die Daten auch den Kunden zur Verfügung zu stellen, damit sie direkt abfragen können, ob ein bestimmtes Stanzteil verfügbar ist oder wie lange die Lieferzeit beträgt.
Heute sind wir ein volldigitalisiertes Unternehmen, das über IT-Schnittstellen mit Kunden und Lieferanten verbunden ist. Unsere Entwicklung zeigt: Digitalisierung braucht keine Revolution in den Betrieben, sondern muss jeden Tag und Schritt für Schritt gelebt werden.
Entscheidend für eine erfolgreiche Entwicklung wie unsere sind hochleistungsfähige, sichere und flächendeckend verfügbare digitale Infrastrukturen. Hier gibt es noch Nachholbedarf: In den Industrie- und Gewerbegebieten insbesondere im ländlichen Raum fehlen häufig noch leistungsfähige Datenautobahnen.
Sehr wichtig ist mir auch: Die Digitalisierung verändert Arbeitsplätze und damit das Anforderungsprofil in den Berufsfeldern. Die Mitarbeiter in unserem Betrieb arbeiten an Bildschirmen, bekommen ausschließlich hierüber die Informationen, welche Maschine was und welche Menge bearbeitet und dokumentieren den Produktionsprozess. Daher ist auch der Bildungs- und Weiterbildungsaspekt zentral. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen in ihrer kompletten Bandbreite muss im Bildungssystem fest verankert werden. Am besten fangen wir in der Schule schon damit an. Auch kleine Unternehmen wie wir sind heute – und zukünftig noch viel mehr – auf qualifizierte Mitarbeiter in allen Bereichen angewiesen. Erforderlich sind daher Investitionen in die Ausstattung von Bildungseinrichtungen und gleichermaßen die fundierte Aus- und Weiterbildung der Lehrenden.
Unternehmen und Politik müssen die Digitalisierung gemeinsam angehen und klarmachen: Es ist machbar, denn es ist eine Evolution, keine Revolution.