Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Erst Aufbauen, dann Abbauen

Von Dr. Dirk  Spenner

Geschäftsführender Gesellschafter der Spenner Zement GmbH & Co.KG

"Energieintensive Betriebe brauchen sichere, planbare und bezahlbare Energie", schreibt Dr. Dirk Spenner, Geschäftsführender Gesellschafter der Spenner GmbH & Co.KG, im NRW-Wirtschaftsblog.

Die Energiepolitik der deutschen Bundesregierung mit Schwerpunkt Klimawende ist zielgerichtet und ambitioniert. Auch das Krisenmanagement zur Abwehr einer Gas- und Strommangellage im Winter 2022/23 verdient Anerkennung.

Beim Blick nach vorn sehe ich als Geschäftsführer eines familiengeführten Zement- und Baustoffherstellers allerdings die Gefahr, dass auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft gesunde Unternehmen, gerade aus dem Mittelstand abgehängt werden. Um das zu verhindern, braucht es ein Umsteuern in wichtigen Punkten.

Wie gehen wir in den Unternehmen vor, wenn wir eine neue Technologie einführen? Zuerst errichten wir die Neuanlage. Wenn sie steht und arbeitet, aber auch erst dann, bauen wir die Altanlage ab. Anders geht es nicht, denn unsere Kunden brauchen eine lückenlose Belieferung.

Die erneuerbaren Energien sind die Zukunft

Übertragen auf die Energiewende sind die erneuerbaren Energien die Zukunft, mit Windkraft als zentralem Pfeiler. Für einen verantwortungsbewussten Umstieg sind vorhandene Erzeugungskapazitäten und Energieträger solange vorzuhalten, bis die Windräder, Stromleitungen und Umspannwerke laufen. Zur Überbrückung einer Dunkelflaute müssen außerdem neue Gaskraftwerke und Speicher errichtet werden.

Obwohl diese Kapazitäten absehbar nicht vorhanden sind, hat Deutschland den Kohleausstieg beschlossen (in NRW inzwischen für 2030) und alle Kernkraftwerke abgeschaltet, nach Beschlusslage endgültig. Diese Umkehrung der Schrittfolge eines geordneten Ausstiegs ist mit normalem Menschenverstand nicht nachvollziehbar.

Viele Annahmen, die den Ausstiegsbeschlüssen zugrunde lagen, gelten inzwischen nicht mehr: Russische Brennstoffe fallen für die Zukunft aus. Die Versorgung mit Gas und Strom ist seither fragil. Die Energiepreise haben 2022 mit ungekannter Volatilität reagiert und unvorstellbare Rekordhöhen erreicht. Die Inflation ebenfalls.

Ausbau der Windkraft kommt kaum voran

Außerdem braucht Deutschland zur Erreichung der Klimaneutralität sehr viel mehr Strom als zuvor angenommen. Ein eigenes Beispiel: In unserem Unternehmen rechnen wir für die Transformation zur CO2-neutralen Zementklinkerproduktion mit einer Verdreifachung des heute schon hohen Strombedarfs.

Gegenläufig kommt der Ausbau der Windkraft kaum voran. Zielkonflikte, Einsprüche und noch mehr Gutachten verhindern eine zügige Realisierung. Daran ändern auch  Beschleunigungsgesetze nichts, solange sie nicht auf Landesebene übernommen und im Vollzug bereitwillig umgesetzt werden. Als Unternehmen planen wir seit geraumer Zeit ein großes Windkraftprojekt und machen genau diese Erfahrung. Das deutsche Ausbauziel eines 80%-Anteils der Erneuerbaren an der Stromproduktion im Jahr 2030 ist praktisch nicht mehr zu schaffen.

Die Politik hat sich in eine missliche Lage manövriert. Wunschdenken und eine systematische Unterschätzung der Aufgabenkomplexität hat Ministerien und ihre Denkfabriken zu größtem Optimismus verführt. Jahr für Jahr werden die Ziele weiter verschärft. Wie lange sollen Wunsch und Wirklichkeit noch auseinanderdriften? Oder können wir jeden Preis für die Klimaneutralität zahlen, koste es was es wolle? Einschließlich neuer Hilfspakete für die Bürger und Unternehmen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen? Ich glaube nicht daran. Meines Erachtens hat die deutsche Klimapolitik an Bodenhaftung verloren.

Energieintensive Betriebe brauchen sichere, planbare und bezahlbare Energie

Bevor es zu spät ist, sehe ich die verantwortlichen Politiker in der Pflicht, geänderte Rahmenbedingungen zu akzeptieren und den Bürgern zu erklären, warum wir auf absehbare Zeit alle Reserven an Brennstoffen und Erzeugungskapazitäten mobilisieren müssen. Diese Bereitschaft ist kaum zu erkennen. Die vorgetragenen Argumente gegen einen Weiterbetrieb der letzten drei Kernkraftwerke und die Erschließung heimischer Gasreserven sind nicht überzeugend. Jedenfalls dann nicht, wenn sich dieselben Politiker gleichzeitig zum Industriestandort Deutschland bekennen und die CO2-Minderung als oberste nationale Zielsetzung vorgeben.

Die energieintensiven Betriebe brauchen jedenfalls sichere, planbare und bezahlbare Energie. Preissprünge wie im vergangenen Jahr dürfen sich nicht wiederholen. Als Lösungsansatz liegt seit Mitte 2021 der Vorschlag von Olaf Scholz auf dem Tisch, die Einführung eines wettbewerbsfähigen Industriestrompreises (in Höhe von 4 ct/kWh). Er muss endlich in die Tat umgesetzt werden. Die Länder, die ihn bereits haben, locken sonst die Großinvestitionen an, die wir hier brauchen.

Last not least: Der Gesetzgeber sollte uns nicht mit immer weiteren Berichtspflichten und Auflagenverschärfungen überziehen. Der stetig steigende Bürokratieaufwand lähmt die Unternehmen. Er raubt uns Ressourcen, die wir für die Generationenaufgabe der Klimawende benötigen. Auch gesamtwirtschaftlich wäre es besser, wenn ein Teil der hochqualifizierten Gutachter, Auditoren und eigenen Mitarbeitenden in den Unternehmen an echten Problemlösungen arbeiten würden – statt ausufernde Genehmigungs- und Überwachungspflichten abzuarbeiten.

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Dr. Dirk Spenner

Geschäftsführender Gesellschafter der Spenner Zement GmbH & Co.KG

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