Metropole Ruhr braucht noch mehr Tempo und Zusammenhalt
Fast 20 Jahre ist es her, dass in Recklinghausen die letzte Steinkohle gefördert wurde. Der Strukturwandel hat allerdings auch in unserer Stadt weitaus früher begonnen. Am Ende ist der Prozess aber noch lange nicht. Und klar ist: Die Herausforderungen, die vor uns liegen, können die Kommunen des Ruhrgebiets ganz sicher nicht alleine stemmen. Deshalb ist es richtig, dass die Landesregierung unter Regie von Ministerpräsident Armin Laschet die Ruhr-Konferenz initiiert hat. Nur wenn die Region geschlossen auftritt, haben wir eine Chance, auch im Bund und in Europa, die dringend erforderliche Unterstützung einzufordern.
Durch den Rückzug von Kohle und Stahl sind industrielle Arbeitsplätze in einem Ausmaß weggebrochen, das nur schwer zu kompensieren ist. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung in der Metropole Ruhr. Zum Glück haben die meisten Akteure erkannt, dass Kirchturmdenken da nicht weiterhilft. In der Emscher-Lippe-Region versuchen wir seit Jahren durchaus erfolgreich mit Kommunen, Unternehmen und Institutionen den Strukturwandel voranzutreiben, gemeinsam Projekte zu initiieren, die für einen nachhaltigen Umbau stehen. Ich bin mir aber sicher, da geht noch mehr, wenn wir das Motto „Gemeinsam sind wir stark“ beherzigen. Und natürlich müssen wird das Erreichte noch offensiver als bisher verkaufen.
Blickt man in andere Regionen der Bundesrepublik Deutschland, kann man nicht leugnen, dass wir auf vielen Feldern im Bereich von Infrastruktur erheblichen Nachholbedarf haben. Zu nennen ist zum Beispiel das schnelle Internet, das im digitalen Zeitalter für die Ansiedlung von innovativen Firmen längst ein unverzichtbarer Faktor geworden ist. Ich wünsche mir, dass die Städte in diese Prozesse noch enger eingebunden werden. Ja, wir brauchen da mehr Tempo und Unterstützung. Gleiches gilt für die dringend erforderliche Verkehrswende. Die aktuelle Klimadiskussion hat nochmals deutlich gemacht, wie unabdingbar diese ist. Wir brauchen auf dem Weg dorthin mehr Mut und Konsequenz, aber auch finanzielle Unterstützung aus Bund und Land.
Welch große Dynamik von einer gemeinsamen Kraftanstrengung einer Region ausgehen kann, wird deutlich, wenn man das tatsächlich historische Projekt des Emscher-Umbaus betrachtet. Aus einer Kloake wurde nicht nur wieder ein sauberer Fluss, sondern die anliegenden Städte profitierten in hohem Maße durch eine begleitende Verbesserung der Infrastruktur. Das gilt auch für Recklinghausen. Natürlich sind wir auch bei der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ dabei, bringen uns mit unseren Fachleuten ein, profitieren bei Stadtentwicklung und Stadtgestaltung, aber auch bei der Anpassung an den Klimawandel, von den Erfahrungen und Ideen unserer Mitstreiter.
Oder nehmen wir den Landschaftspark Hoheward, den die Halden Hoheward und Hoppenbruch, die historische Zeche Ewald und der Stadtteilpark Recklinghausen-Hochlarmark bilden. Wer hätte gedacht, dass die ehemaligen Industriestandorte einmal in Scharen die Touristen anlocken werden, die mit dem Fahrrad oder dem Segway die Haldenlandschaft erkunden oder einfach den unvergleichlichen Rundumblick vom Gipfel der Halde Hoheward zu genießen?
Die gemeinsamen Anstrengungen der Metropole Ruhr zahlen sich also auch auf diesem Feld aus, das vor nicht allzu langer Zeit noch von vielen Politikern in der Region belächelt wurde. So ist die Zahl der Gästeankünfte im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr in Recklinghausen um 20 Prozent gestiegen. Dabei stehen wir mit der Umsetzung unseres Tourismuskonzeptes erst am Anfang.
Einen weiteren Schub wird Recklinghausen und der Region sicher das neue Erlebnisbergwerk in Hochlarmark geben. Dort, wo sich bis zum Auslaufen des Steinkohlebergbaus in einem Trainingsbergwerk die Auszubildenden und die Grubenwehr das nötige Rüstzeug für ihre Arbeit unter Tage holten, entsteht ein europaweit einzigartiges Angebot. Besucher können dort den Steinkohlebergbau so authentisch erleben wie nirgendwo sonst in Europa. Möglich wird dies durch die Kooperation und Kraftanstrengung von Stadt, RAG, RVR und einem Förderverein. Potentiale erkennen, um sie gemeinsam zu heben, darauf kommt es künftig sicher noch stärker an.
Was die Region braucht, sind weitere Projekte dieser Art, die für Aufbruch stehen, die dazu beitragen, dass die Metropole Ruhr für die Menschen als Arbeits- und Lebensraum noch attraktiver wird. Nur dann kann es gelingen, junge Menschen, die an unseren Universitäten und Fachhochschulen in vielen Studiengängen gut ausgebildet werden, auch in der Region zu halten. Auch mit Blick auf den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel liegt darin eine der ganz großen Herausforderungen der nächsten Jahre. Dieser müssen wir uns in der Metropole Ruhr gemeinsam stellen.