2021, als Corona die Schlagzeilen beherrschte, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), wenn eine Pandemie über die Welt komme, sei NRW einer der besten Orte, um sie zu erleben.
2024 spricht fast keiner mehr über Corona, aber die Probleme der Welt sind noch größer geworden, und auch heute gilt: NRW gehört zu den besseren Orten inmitten eines multiplen Krisengeschehens. Während die USA einer zweiten Trump-Amtszeit entgegenblicken, Populisten am gemeinsamen Europa sägen, die Ampel am Ende ist und Regierungsbildungen in Ostdeutschland immer schwieriger werden, wird NRW „geräuschlos“ regiert.
Tatsächlich ist es auch aus wirtschaftspolitischer Sicht beruhigend, dass CDU und Grüne harmonieren. Dennoch steckt Schwarz-Grün in Problemen, die die zweite Hälfte der Legislaturperiode überschatten könnten. Drei Beispiele:
1. Halbherzigkeit beim Thema Altschulden
Im Jahr 2020 schlug der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen „Solidarpakt“ vor: Bund und Länder sollten je zur Hälfte die Altschulden von 2500 deutschen Kommunen übernehmen. Die Gelegenheit schien günstig, die Zinsen waren niedrig. Aber eine große Altschuldenlösung gibt es bis heute nicht, und das Zeitfenster dafür wird immer kleiner.
Die schwarz-gelbe Vorgänger-Landesregierung zierte sich, das Thema Altschulden ernsthaft anzugehen. Schwarz-Grün machte erst einen aberwitzigen Vorschlag für einen Altschuldenfonds, bei dem die Kommunen am Ende selbst zur Kasse gebeten werden sollten, und unternahm später doch einen eigenen Vorstoß, um das Entschuldungsversprechen aus dem Koalitionsvertrag zu halten. Ähnliches hatte der Bund vor. Über den guten Willen ist das Projekt, das nur mit Bundesbeteiligung funktionieren kann, bisher aber nicht hinausgekommen. Das Land NRW zeigte auf die Ampel, die Ampel auf die Union im Bundestag, die SPD fordert NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf, CDU und CSU zu überzeugen, und Schwarz-Grün beteuert: Wir haben in NRW unseren Teil der Hausaufgaben doch gemacht.
Warum diese Halbherzigkeit auf allen Ebenen so schlimm ist? Weil vielen Städten und Gemeinden die Schulden über den Kopf wachsen und die Landesregierung ein Interesse daran haben muss, den Bund von der Schuldenhilfe zu überzeugen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat es mal so beschrieben: „Das Fundament der Demokratie sind die Kommunen. Der Bürger merkt dort, ob dieser Staat noch funktioniert oder nicht.“ Wir sollten diese Warnung ernst nehmen: Ein Staat, dem die Bürger nicht mehr vertrauen, gerät ins Wanken. Der Wirtschaftsstandort NRW benötigt aber Stabilität.
2. Ein Imageproblem
Mitte November war Düsseldorf Schauplatz der größten Demonstration gegen eine NRW-Landesregierung der vergangenen zwei Jahrzehnte. Etwa 32.000 Menschen demonstrierten gegen den „sozialen Kahlschlag“. Wenn die Kassen leer sind, müsse jeder einen Beitrag zum Sparen leisten, argumentiert die Landesregierung. Aber ausgerechnet zu Lasten der Schwächsten, ausgerechnet Abstriche bei der Schuldner-, Familien-, Aidsberatung sowie bei der Integration von Zugewanderten? 83 Millionen Euro spart Schwarz-Grün im Sozialen ein – bei einem Gesamthaushalt von 105 Milliarden Euro. Ob es sich lohnt, für diesen Spareffekt so viel Porzellan zu zerschlagen, ist fraglich. Sozialer Zusammenhalt gehört – wie eine starke Industrie - zur DNA dieses Landes.
3. Personalprobleme
Während es Hendrik Wüst gelungen ist, zu einem der beliebtesten Politiker Deutschlands zu werden und seine CDU in Umfragen glänzt, schwächelt der grüne Koalitionspartner. Zwei von vier grünen Ministern sind massiv unter Druck: Justizminister Benjamin Limbach hängt eine „Kungel-Affäre“ um die Besetzung der Spitze des Oberverwaltungsgerichts an. Familien- und Integrationsministerin Josefine Paul muss Ungereimtheiten rund um den Terroranschlag von Solingen aufklären und müht sich im Kampf gegen die Dauerkrise der Kitas.
Diese Beispiele zeigen: So geräuschlos wie bisher dürfte es in den nächsten zweieinhalb Jahren nicht mehr zugehen zwischen Union und Grünen. Dabei sind beide gefordert, die drohende De-Industrialisierung zu verhindern. Der vorzeitige Kohleausstieg steht auf dem Spiel, auch, weil Planungs- und Genehmigungsverfahren immer noch viel zu lange dauern. Die Digitalisierung der Verwaltung kommt nur langsam voran, Straßen und Brücken sind marode und der Nahverkehr ist eine Katastrophe. Um NRW und seine Wirtschaft resilient, also widerstandsfähig gegen Krisen zu machen, muss das Land beherzt investieren und Probleme pragmatisch lösen. Das geht allerdings nur ohne die Fesseln der Schuldenbremse.