Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Hat Arbeit an Ansehen verloren?

Von Sarah Philipp MdL

Co-Vorsitzende SPD NRW

"Wir leben in einem Industrieland. Das müssen wir erhalten", betont Sarah Philipp, Co-Vorsitzende der SPD NRW, im Blog.

Arbeit sichert Wohlstand, Arbeit sorgt für Sicherheit – sowohl für das persönliche Leben als auch für ein Land. Die aktuelle Debatte über Arbeit ist jedoch vor allem geprägt von Sanktionsfragen und Verweigerungsvorwürfen. Allzu oft bleibt außen vor, was Arbeit auch bedeuten kann. Und zwar ein soziales Umfeld, Selbstverwirklichung und persönliche Weiterentwicklung. Die Antwort auf die Eingangsfrage lautet also kurz und knapp: Ja. 

Ganz so einfach ist die Antwort für viele Menschen in Deutschland jedoch nicht. Für viele handelt es sich nicht nur um eine Frage des Ansehens, sondern um die reale Frage danach, wie viele ihre Arbeit (noch) wert ist. Die aktuelle Weltlage, der damit verbundene Anstieg der Lebenshaltungskosten und nicht zuletzt die Aufmerksamkeit, die unser Sozialstaat im Zuge der Bürgergeld- und Haushaltsdebatten in jüngster Zeit erfahren hat, zeigen das. Gleichzeitig sorgen sich viele Unternehmen um ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit um ihre Zukunft in Deutschland. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns, wenn wir über Arbeit, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sprechen.

Sozialstaat versus Wettbewerbsfähigkeit? 

In diesem Spannungsfeld ist es teilweise gelungen, ein Bild zu zeichnen, in dem der Sozialstaat Menschen in zwei Gruppen einteilt: in Zahlende und Profitierende. Das ist nicht korrekt: Erstens, weil in einem Sozialstaat immer alle Zahlende und Empfangende zugleich sind – wenn auch in unterschiedlichem Maße. Und zweitens, weil ein Sozialstaat nicht nur umverteilt, sondern auch schützt. Er unterstützt diejenigen, die alt, krank, erwerbsunfähig oder pflegebedürftig werden, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen oder deren Einkommen einfach nicht reicht. All das sind Dinge, die wir persönlich nicht beeinflussen können. Deshalb bedeutet ein starker Sozialstaat vor allem Sicherheit und Schutz – und zwar für alle. Ein starker Sozialstaat stellt die Weichen auf dem Arbeitsmarkt so, dass Diskriminierung bei Löhnen und Arbeitsplätzen erschwert wird. Er entlastet bei Pflege und Kindererziehung, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert. Eine Diskussion über den Wert der Arbeit, die als Ergebnis den Umfang des Sozialstaates beklagt, greift daher zu kurz. Vor allem halte ich es nicht für sinnvoll, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gegen den Sozialstaat auszuspielen. Dieses Narrativ darf weder politisch noch gesellschaftlich gespielt werden. Gleichzeitig ist klar, es braucht Menschen, die arbeiten, um die Akzeptanz und Funktionalität unseres Sozialstaats zu sichern. Das heißt, es muss immer unser Ziel sein, Menschen in Arbeit zu bringen und zu halten. 

Wirtschaftspolitik für alle

Deswegen ist es für mich als Sozialdemokratin wichtig, dass Arbeit fair bezahlt wird. Wir leben in einem Industrieland. Das müssen wir erhalten. Das heißt, wir müssen die vorhandenen Industriezweige stärken, wie zum Beispiel die Stahlindustrie in Duisburg, aber wir müssen auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich neue Industrien bei uns in Deutschland, und ganz konkret in NRW, ansiedeln können. 

Der Ansatz ist also klar: Wirtschaftspolitik muss für alle gestaltet sein. Wir brauchen Sicherheiten für Standorte und Beschäftigte. Zugleich müssen Unternehmen mit internationalen Akteurinnen und Akteuren konkurrieren können. Das muss Politik berücksichtigen. Hinzu kommt, dass sich die Industrie in einem fundamentalen Umbauprozess befindet. Das ist kein einfaches Spannungsfeld. Hier braucht es politische Unterstützung und passende Rahmenbedingungen.

Was braucht NRW?

Konkret heißt das für NRW: Wir müssen uns für einen nachhaltigen Umbau der heimischen Industrie einsetzen. Dieser muss politisch und finanziell flankiert werden, indem wir massiv in erneuerbare Energien investieren, Unternehmen in der Umstellungsphase unterstützen, beispielsweise mit niedrigen Strompreisen und bezahlbarer Energie, und dabei stets die Beschäftigten im Blick behalten. Wir müssen Unternehmen dabei begleiten, in ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren, und Umschulungen und Weiterbildungen zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen wir viel mehr Geld in Bildung stecken und so die Fachkräfte von morgen schaffen. Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung ist dafür eine gute Grundlage. Und wir müssen den Mut haben, massiv in Infrastruktur zu investieren. Das heißt Investitionen in Verkehr, Digitalisierung und Bürokratieabbau. Das gilt auf Landes- wie auf Bundesebene. Die Wachstumsinitiativen im Bundeshaushalt 2025 sind dafür gute Eckpfeiler. Für all das brauchen wir Geld. Um diese Mittel freizusetzen und die notwendigen Investitionen zu tätigen, muss die Schuldenbremse reformiert werden. Davon würden Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen profitieren, denn nur so können wir den Wohlstand heute und für kommende Generationen sichern.

Über die Autorin
Sarah Philipp MdL

Co-Vorsitzende SPD NRW

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