Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Nachhaltig und konkurrenzfähig: So sichert Europa seine Zukunft als Standort

Von Bill Anderson

Vorstandsvorsitzender der Bayer AG

Bayer-CEO Bill Anderson im NRW-Wirtschaftsblog: "Ich wünsche mir für die EU eine Ausrichtung auf eine „nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit“."

Wenn die EU-Institutionen nach den Europawahlen die politische Arbeit wieder aufnehmen, wird sich zeigen, unter welchem Leitmotiv der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt in den kommenden fünf Jahren politisch geführt wird. Dabei sollten die Chancen der Wissenschaft sowie die Stärkung der Wirtschaftskraft zentrale Punkte sein. Denn in der globalisierten Welt werden die Regionen erfolgreich sein, die in der Lage sind, Schlüsseltechnologien von morgen zu entwickeln, herzustellen und erfolgreich zu vermarkten. 

Werfen wir einen Blick zurück: Zu Beginn der noch laufenden Amtszeit der Europäischen Kommission betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Die Bekämpfung des Klimawandels und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas müssen Hand in Hand gehen. Und ja, die EU hat mit dem Green Deal wichtige Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität gemacht. Aber sie sollte nun mit der gleichen Konsequenz auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärken. 

Der Abstand zu den USA und China vergrößert sich

Neben der Gewährleistung der Nachhaltigkeit der bereits in der EU ansässigen Industrie ist es ebenso wichtig, Europa als Standort wieder so attraktiv zu machen, dass die Unternehmen hier gerne in Forschung, Entwicklung und Produktion investieren wollen! Beide Ziele sind wichtig: Nachhaltigkeit und die Attraktivität des Standorts. Deshalb wünsche ich mir für die Europäische Union eine Ausrichtung auf eine „nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit“. 

Die Position der EU als ein weltweit führender Wissens- und Wissenschaftsstandort mit Universitäten von Weltrang ist unbestritten. Bei der Umsetzung dieses Wissens in Produkte und Wirtschaftswachstum ist Europa aber alles andere als führend. Im Gegenteil: Der Abstand zu den USA und China in Bezug auf Investitionen in Forschung und Entwicklung vergrößert sich in alarmierender Weise – und droht ohne entschlossenes Handeln noch größer zu werden. 

Handeln bedeutet, Anreize für Innovationen zu schaffen und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern. Es bedeutet aber auch, für Investitionen der europäischen Industrie in neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Biotechnologie mehr Planungssicherheit zu gewährleisten. Oder, wie es die gemeinsame „Antwerpener Erklärung“ führender Akteure der EU-Industrie erst kürzlich formulierte: „Es besteht ein dringender Bedarf an Klarheit, Berechenbarkeit und Vertrauen in Europa und seine Industriepolitik.“ Dazu gehört auch, dass die EU das Vertrauen in eine wissenschaftlich fundierte Politikgestaltung aufrechterhält. Denn nur so sind ihre Entscheidungen für die Marktteilnehmer auch wirklich vorhersehbar. 

Bürokratieabbau ist auch ein Thema für die Unternehmen

Aber auch die Unternehmen sind gefragt. Sie müssen ihre schöpferische Kraft mobilisieren und Innovationen Tag für Tag vorantreiben. Zwar bestimmt die Politik den Rahmen des unternehmerischen Handelns – aber die Unternehmer sind es, die aus Ideen und wissenschaftlichem Fortschritt konkrete Produkte machen. Dafür braucht es neben den passenden Rahmenbedingungen auch eine schlanke Organisation, die sich voll und ganz auf die Bedürfnisse der Kunden konzentriert. Der Abbau von Bürokratie ist also nicht nur ein Thema für die Politik, sondern auch für die Unternehmen selbst. 

Die mehr als 160-jährige Geschichte von Bayer ist das perfekte Beispiel dafür, dass ein günstiges regulatorisches und wirtschaftliches Umfeld zu bemerkenswerten Innovationen führen kann. Und wir wollen weiterhin Innovationen in Europa entwickeln und vermarkten: Im Jahr 2023 wurde mit einer Summe von 2,9 Milliarden Euro mehr als die Hälfte unserer gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der EU getätigt. Wir beschäftigen rund 35.000 Mitarbeiter in den EU-Ländern – mehr als ein Drittel unserer weltweiten Belegschaft.

Ein Leuchtturm der Innovation und der Nachhaltigkeit

Wir möchten unsere Erfolgsgeschichte in der EU fortsetzen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die bahnbrechenden Innovationen in unserer Pipeline auch in Europa den notwendigen Entfaltungsspielraum bekommen. Pflanzen, die mit neuen Züchtungstechnologien entwickelt werden, spielen hier eine wichtige Rolle. Sie können zum Erreichen von EU-Nachhaltigkeitszielen entscheidend beitragen. Denn sie machen es möglich, mehr Lebensmittel mit weniger Ressourceneinsatz zu erwirtschaften. Ein weiteres Beispiel: Fortschritte im Gesundheitswesen mit Zell- und Gentherapien könnten Krankheiten aufhalten oder heilen – anstatt sie nur zu behandeln. Aber solche Durchbrüche brauchen eben einen innovationsfreundlichen und zukunftssicheren rechtlichen Rahmen. 

So können wir gemeinsam dafür sorgen, dass Europa auch in Zukunft ein Vorbild für andere Regionen bleibt – ein Leuchtturm der Innovation und der Nachhaltigkeit, der wirtschaftlichen Stärke und der Vielfalt.

Über den Autor
Bill Anderson

Vorstandsvorsitzender der Bayer AG

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