Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Nicht auf halber Strecke stehen bleiben

Für Arndt Kirchhoff, Präsident unternehmer nrw, stimmt die Richtung der Wirtschaftspolitik der NRW-Landesregierung, aber es gebe noch viel zu tun.

Von Arndt G. Kirchhoff

Präsident von unternehmer nrw und CEO der Kirchhoff Holding GmbH und Co. KG

Eines vorweg: Die wirtschaftspolitische Grundstimmung in Nordrhein-Westfalen ist in den vergangenen zweieinhalb Jahren wieder spürbar besser geworden. Dieser Stimmungsumschwung war auch dringend nötig. In den Jahren zuvor wurde zu häufig gebremst und auch verhindert.

Jetzt geht es in die richtige Richtung. So hat die Landesregierung mit ihrer innovations- und gründerfreundlichen Ausrichtung, den deutlichen Anstrengungen beim Infrastrukturausbau sowie ersten entschlossenen Schritten beim Bürokratieabbau das Klima für Unternehmertum, Innovationen, Investitionen und Arbeitsplätze eindeutig verbessert.

Dennoch bleibt weiter viel zu tun. Die Landesregierung darf jetzt nicht nachlassen. Nordrhein-Westfalen muss sich im Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze noch mehr anstrengen. Das im Jahr 2018 gegenüber dem Bundesschnitt erneut um 0,5 Prozentpunkte geringere Wirtschaftswachstum Nordrhein-Westfalens ist ernüchternd und muss ein deutlicher Weckruf sein. Daher darf die Landesregierung bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags nicht an Tempo verlieren oder gar auf halber Strecke stehen bleiben. Denn es bleibt dabei: Wer aufholen will, muss sich mehr anstrengen als andere, sonst gelingt das nicht.

Mit der Stärkung der frühkindlichen Bildung, dem deutlichen Ausbau der Kinderbetreuungsangebote sowie mit einer klaren Prioritätensetzung auf höhere Unterrichtsqualität und bessere Ausstattung in den Schulen stellt die Landesregierung wichtige Weichen für bessere Zukunftschancen unserer Kinder. Diese Anstrengungen gilt es stetig weiter zu intensivieren. Ein toller Erfolg ist die Stärkung der ökonomischen und der MINT-Bildung. Und auch die angekündigte Agenda zur Stärkung der beruflichen Bildung und die Stärkung der Hochschulautonomie sind der richtige Weg. Noch mehr in den Blick nehmen muss die Landesregierung den Ausbau dualer und berufsbegleitender Studiengänge.

Entscheidend für den Erfolg des Aufholprozesses Nordrhein-Westfalens sind attraktivere und verlässlichere Investitionsbedingungen. Hier hat die Landesregierung mit der entschlossen eingeleiteten Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur sowie der deutlich investitionsfreundlicheren Grundausrichtung des Landesentwicklungsplans erste wichtige Schritte getan.

In anderen Bereichen besteht indes weiterhin dringender Handlungsbedarf. So sind beim Abbau der investitionsfeindlichen umweltpolitischen Alleingänge der Vorgängerregierung bisher nur wenige der im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen umgesetzt worden. Hier fehlt es eindeutig an Kraft und Geschwindigkeit. Und auch die Senkung der im Bundesvergleich zu hohen Gewerbesteuerhebesätze muss dringend angegangen werden.

Zentraler Pfeiler für Arbeitsplätze und Wohlstand in Nordrhein-Westfalen ist und bleibt die Industrie. Ich begrüße, dass die Landesregierung ein ressortübergreifendes verbindliches Industriepolitisches Leitbild beschlossen hat. Nachdem dessen Erstellung einige Zeit in Anspruch genommen hatte, muss die Umsetzung jetzt umso konsequenter in Angriff genommen werden. Insbesondere gilt es, den Einsatz für industrielle Erweiterungen und Neuansiedlungen weiter zu intensivieren. Denn allein mit digitalen Startups, aber ohne eine starke Industrie, wird der Aufholprozess nicht gelingen. Und ganz wichtig: Unsere Industrie leistet durch innovative Produkte sowie die stetig verbesserte Rohstoff- und Energieeffizienz einen direkten Beitrag zum weltweiten Klima- und Ressourcenschutz.

"Zentraler Pfeiler für Arbeitsplätze und Wohlstand in Nordrhein-Westfalen ist und bleibt die Industrie."

Wenn Nordrhein-Westfalen seine Innovations- und Wachstumsschwäche dauerhaft überwinden will, dann müssen wir unseren starken industriellen Mittelstand noch enger mit Wissenschaft und kreativen Start-Ups verknüpfen. Die Aktivitäten im Bereich der Gründerzentren, der Künstlichen Intelligenz und der Cyber-Sicherheit sind beispielhaft. Auch die Ansiedlung der Batteriezellenforschung in Münster ist ein großer Erfolg.

Und wir müssen unser Bundesland zügig für die Herausforderungen der Digitalisierung fitmachen. Wir begrüßen sehr, dass die Landesregierung dem zügigen und lückenlosen Ausbau des Gigabit-Netzes sowie der 5G-Technologie im Mobilfunk absolute Priorität einräumt. Außerdem bedarf es klarer digitaler Schwerpunktsetzungen bei Bildung, Qualifizierung und Forschung.

Eine immense Herausforderung ist der auf Bundesebene beschlossene Kohleausstieg bis zum Jahr 2038. Für das Industrieland NRW sind Versorgungssicherheit zu jeder Sekunde und wettbewerbsfähige Strompreise unverzichtbar. Das Land hat bei den Verhandlungen wichtige Erfolge erzielt. Nun muss es zwingend darauf drängen, dass die beschlossenen Haltepunkte zur Überprüfung der Zwischenziele auch tatsächlich strikt eingehalten werden.

Das Rheinische Revier wird von der ersten Abschaltungs-Phase bis zum Jahr 2022 besonders stark betroffen sein. Den notwendigen Strukturwandel nun ohne echte Vorwarnzeit zu gestalten ist eine riesige Aufgabe. Das Land muss diesen Prozess effizient steuern und koordinieren. Dabei geht es um weit mehr als nur die Abfederung der sozialen Lasten. Das Rheinische Revier braucht vielmehr nachhaltige Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Innovation sowie verlässliche Perspektiven für die Ansiedlung neuer Industrieunternehmen.

NRW kann auf Dauer nur stark sein, wenn auch das Ruhrgebiet wieder deutlich stärker wird. Hierfür sind große Anstrengungen und mutige Visionen erforderlich. Zentrales Ziel der Ruhr-Konferenz muss die Stärkung der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit sein. Gemeinsamer Anspruch muss es sein, einen neuen Gemeinschaftsgeist zu entfachen und das Ruhrgebiet zu einer der modernsten Regionen Europas zu machen. Dies wird jedoch nicht dadurch gelingen, mit möglichst vielen Einzelmaßnahmen möglichst viele Einzelinteressen zu bedienen. Es kommt daher jetzt darauf an, die beschlossenen Projekte weiter zu konkretisieren und zu entwickeln. Nur dann kann der ehrgeizige Anspruch der Ruhr-Konferenz auch in der anstehenden Umsetzungsphase erreicht werden.