Trotz schwierigerem Fahrwasser: NRW braucht ein erfolgreiches Doppel aus Investitionen und Innovationen. Wirtschaftlich hat sich Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahrzehnten nicht so entwickelt, wie wir uns das erhofft hätten. Nur selten ist es gelungen, an die erfolgreicheren Bundesländer im Süden oder auch nur an den Bundestrend heranzukommen. Der vergangene wie der laufende Strukturwandel in den wichtigen industriellen Wertschöpfungsketten und wie auch durch die Digitalisierung haben in Verbindung mit hausgemachten Problemen etwa bei wichtigen Infrastrukturen unserem Land an Dynamik gekostet.
Dies hat die Landesregierung erkannt und im Koalitionsvertrag auch eine klare Zielsetzung formuliert: „…Nordrhein-Westfalen konnte seine wirtschaftlichen Kräfte in den vergangenen Jahren … nicht umfassend entfalten und wurde von der Wachstums- und Wohlstandsentwicklung in anderen Ländern abgekoppelt. Diesen Rückstand holen wir gemeinsam wieder auf…“
Dieser Vorsatz hat viele Gesetzesinitiativen, konkrete Maßnahmen und die strategische Ausrichtung der Landesregierung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode geprägt – von den Entfesselungsinitiativen, über die Aktivitäten rund um die Digitalisierungsstrategie oder das industriepolitische Leitbild. So ist es gelungen, Schwung in einige, festgefahrene wirtschaftspolitische Diskussionen der Vorjahre zu bringen und neue Impulse zu setzen.
Aktuell wird der Aufholprozess von der sich verschlechternden Konjunktur überlagert. In den Umfragen der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen kündigt sich die nachlassende konjunkturelle Dynamik bereits seit dem Frühjahr 2019 an. Vor allem in der Industrie und bei industrienahen Wirtschaftsbereichen gehen die Aufträge zurück, teils sind die Produktionszahlen rückläufig. Aus Sicht der Unternehmen stechen dabei drei Risiken heraus:
Weltwirtschaftliche Risiken: Im Zuge der handelspolitischen Konflikte zwischen den USA und China oder auch im Nahen Osten ist das weltwirtschaftliche Konjunkturklima rauer geworden. Auch drohte der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Dadurch wurde das globale Geschäft zuletzt immer schwieriger.
Energie- und Klimawende: Neun von zehn Unternehmen befürworten im Grundsatz zusätzliche Maßnahmen, damit Deutschland seine Klimaschutzziele erreicht. Gleichzeitig sind viele Betriebe vom Verlauf der politischen Diskussion enttäuscht. Vor allem unter den Industrieunternehmen sorgen sich viele aufgrund der steigenden Strompreise und hinsichtlich der Versorgungssicherheit.
Fachkräftesicherung: Derweil spitzt sich die Fachkräftesituation weiter zu. Die Auswirkungen des demografischen Wandels beginnen, sich im Arbeits- und Ausbildungsmarkt niederzuschlagen. Auch wenn die demografischen Prognosen für NRW noch ein Anstieg der Bevölkerung voraussagen, sinkt die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Zahl der Arbeitskräfte bereits heute. Aktuell ergibt sich so ein Engpass am Arbeitsmarkt von 365.000 Personen, insbesondere bei den beruflich qualifizierten Fachkräften. Im Jahr 2030 werden dem Fachkräftereport 2019 von IHK NRW folgend der NRW-Wirtschaft 738.000 Fachkräfte fehlen.
So ist es gelungen, Schwung in einige, festgefahrene wirtschaftspolitische Diskussionen der Vorjahre zu bringen und neue Impulse zu setzen.
Noch wird die konjunkturelle Entwicklung von der Binnenkonjunktur, der Nachfrage der öffentlichen Hand und dem positiven Zinsumfeld getragen. Doch birgt die nachlassende Konjunkturdynamik ein Risiko für die bis zuletzt gute Entwicklung der Steuereinnahmen von Land und Kommunen in NRW.
Gerade in einem schwieriger werdenden wirtschaftlichen Fahrwasser braucht das Land daher weiter das Doppel aus Investitionen und Innovationen. Für mehr Investitionen in NRW in den Wirtschaftsstandort sollten die ergriffenen Weichenstellungen im Landeshaushalt und bei den Kommunen langfristig gesichert werden. Im zunehmenden Wettbewerb gewinnen zudem die ungelösten Steuerfragen – etwa bei den Gewerbe- oder Grundsteuerhebesätzen - an Bedeutung.
Für ein innovatives NRW sollte bei den anstehenden industrie-, vor allem den energie- und klimaschutzpolitischen Debatten in Europa, im Bund aber auch im Land das neue industrielle Leitbild als Kompass dienen. Pragmatisch sollte auch bei der Neuausrichtung der Innovationsstrategie des Landes stärker auf unbürokratische Verfahren und auf die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Wirtschaft, insbesondere der KMUs im Land, gesetzt werden.