Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

NRW muss Industriestandort bleiben

Von Dr.  Frank  Weigand

Vorstandsvorsitzender (CEO) und Finanzvorstand (CFO) der RWE Power AG

Warum und wie Nordrhein-Westfalen Industriestandort bleiben soll, schreibt Dr. Frank Weigand, Vorstand bei RWE Power AG, im NRW-Wirtschaftsblog.

Nordrhein-Westfalen ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt die größte Volkswirtschaft aller deutschen Bundesländer. Hier schlägt das Herz der deutschen Industrie. Der hohe wirtschaftliche Stellenwert von NRW ist aber keineswegs in Stein gemeißelt. Er muss ein fürs andere Mal erarbeitet werden. Gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind dafür Voraussetzung. Die Frage, wie diese zu erhalten sind, wird in den kommenden Monaten eine wichtige Rolle spielen. Denn im Hinblick auf die Energiewende in Deutschland hat die Bundesregierung die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ins Leben gerufen. Es geht dabei vor allem um vier Bereiche, die insbesondere für den Industriestandort NRW von immenser Bedeutung sind: Versorgungssicherheit, Strompreise, Klimaschutz sowie Strukturwandel.

Nordrhein-Westfalen ist ein erfolgreicher Industriestandort, auch und gerade weil die Stromversorgung jederzeit gesichert ist. Versorgungssicherheit ist also ein Standortfaktor von höchster Bedeutung. 25 Prozent des Stroms stammen aus Braunkohle. Strom, der immer verfügbar ist – auch wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst. Das Wetter ist nicht steuerbar, und Speicher in großem Stil sind (noch) nicht vorhanden. RWE und andere Energieunternehmen forschen an neuen Technologien, um diese Herausforderungen zu meistern. Das braucht Zeit. Jetzt kurzfristig aus Kernenergie und Kohle auszusteigen, wäre daher zu viel für unseren Industriestandort. Und sich bei Stromknappheit nur aufs Ausland zu verlassen, dieses Risiko wäre mir zu hoch ...

Natürlich muss auch die Braunkohle zum Klimaschutz beitragen, und das tut sie längst. RWE hat einen klaren Fahrplan zur CO2-Minderung in ihren Kraftwerken vorgelegt: Bis 2020 sinkt der CO2-Ausstoß im Vergleich zu 2015 um 15 Prozent, bis Anfang der 30er Jahre um bis zu 50 Prozent und nach 2030 weiter bis zum Auslaufen der Tagebaue Hambach und Garzweiler etwa Mitte des Jahrhunderts. Hier wird mit Augenmaß und auf der richtigen Zeitachse die Kohleverstromung also deutlich verringert, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit von NRW dabei auf der Strecke bleibt.

"Nordrhein-Westfalen ist ein erfolgreicher Industriestandort, auch und gerade weil die Stromversorgung jederzeit gesichert ist. Versorgungssicherheit ist also ein Standortfaktor von höchster Bedeutung."

Und noch etwas ist ganz entscheidend für den Industriestandort NRW: niedrige Strompreise. Schon heute sind die Belastungen für Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen und Privathaushalte enorm. Die Energiewende darf nicht weiter Preistreiber für den Strom sein. Ein schnelleres Verringern der Braunkohle-Verstromung würde die Strompreise am Großhandelsmarkt stark steigen lassen. Stabile Strompreise sind zwingende Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, für Wertschöpfung und Beschäftigung. Es geht um Hunderttausende Arbeitsplätze.

Allein vom Rheinischen Revier mit seinen Tagebauen und Kraftwerken hängen derzeit etwa 20.000 Arbeitsplätze ab – gut ausgebildete, hochengagierte Fachkräfte aller Altersgruppen, darunter viele Auszubildende. Zudem dürfen die Effekte auf die energieintensiven Industrien nicht außer Acht gelassen werden. Eine aktuelle IHK-Studie der Kammern Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein belegt: 93.000 Menschen im gesamten Wirtschaftsraum sind in energieintensiv produzierenden Unternehmen tätig. Und von jedem Beschäftigten in den energieintensiven Unternehmen der IHK-Bezirke sind in NRW fast zwei weitere Beschäftigte abhängig. Zu Recht kommt die Studie zu dem Schluss, dass Wohlstand und Beschäftigung in diesen Regionen in besonderem Maße von einer wettbewerbsfähigen Energieversorgung abhängen.

Augenmaß bei den energiepolitischen Sachthemen – Versorgungssicherheit, Strompreise und Klimaschutz – und eine angemessene Zeitachse sind für die Arbeit der Strukturkommission der Bundesregierung daher von besonderer Bedeutung. In den nächsten Wochen und Monaten geht es in Berlin auch um die Zukunft von NRW. Die Menschen vertrauen darauf, dass die hervorragende Substanz nicht durch ideologie-getriebene politische Entscheidungen gefährdet wird. Strukturentwicklung ja – aber keine Strukturbrüche, muss deshalb die Maßgabe lauten. Damit das Herz der Industrie hier weiter schlägt.

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Dr. Frank Weigand

Vorstandsvorsitzender (CEO) und Finanzvorstand (CFO) der RWE Power AG

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