Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Nur Vorurteile? Bürokratie versus Gründlichkeit

Von Friedrich Wilhelm  Wengeler

Geschäftsführer Wengeler & Kalthoff Hammerwerke GmbH & Co. KG

Friedrich Wilhelm Wengeler, Unternehmer und Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Metall für Bochum und Umgebung schreibt im NRW-Wirtschaftblog über Bürokratieabbau in NRW.

„Wenn in Deutschland etwas geplant, gebaut oder organisiert wird, dann gründlich.“ Das Vorurteil des gut organisierten Deutschen eilt uns in aller Welt voraus. „Made in Germany“ als Gütesiegel. Ein Vorurteil, mit dem wir Deutschen gut leben können. Oder? Die Gründlichkeit und Sorgsamkeit unserer Behörden in allen Ehren - als Unternehmer verzweifelt man an der einen oder anderen Stelle. Die neue NRW-Landesregierung hat sich deshalb zu Recht Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben. Nur: Es muss sich jetzt was tun in Sachen Umsetzung. 

Ich will dies an drei Beispielen deutlich machen: Ganz konkreten Bürokratieaufwand haben die Unternehmen nämlich durch das neue Abfallentsorgungsgesetzes hinzubekommen. Ich betone: Hinzubekommen. Als Unternehmer bin ich nun verpflichtet zu dokumentieren, welchen und wie viel Abfall ich entsorgen lasse. Was zuvor beispielsweise für Schmierstoffe galt, gilt nun auch für Feststoffe, für normalen Müll. Korrekte Getrennthaltung und auch notwendige Abweichungen müssen dokumentiert und begründet werden. Ausdrücklich verlangt wird eine Dokumentation der Getrennthaltung. Als Nachweise können Fotos und Lagepläne des Abfall-Lager-Bereichs, Liefer- oder Wiegescheine dienen. Auch die Gründe für das Abweichen von der Pflicht zur getrennten Sammlung sind auf diese Weise zu dokumentieren. Für alle Dokumentations-Unterlagen gilt: Sie müssen der zuständigen Abfallbehörde zwar nicht unaufgefordert vorgelegt werden, sind aber „auf Abruf“ vorzuhalten. Mit Bürokratieabbau hat das meines Erachtens erst einmal nichts zu tun.

"In Sachen Gründlichkeit werden manchmal falsche Prioritäten gesetzt."

Ein weiteres Beispiel und Beleg dafür, dass in Nordrhein-Westfalen in Sachen Gründlichkeit manchmal falsche Prioritäten gesetzt werden: Die Landesstraße 924, die einzige Anbindung mehrerer Unternehmen an das Straßennetz zwischen Hattingen und Witten und an die nahe BAB43, soll in Kürze saniert werden. Ich habe mir die 30-seitige Genehmigung genauer angeschaut: Sieben Seiten befassen sich mit dem Wohlergehen von Lurchen, Goldhamstern und den Pflanzen entlang der Straße. Die Überbetonung von Umweltschutzbelangen, speziell in NRW, ist aus dem Ruder gelaufen. Es kann nicht sein, dass sich die Sanierung einer Landesstraße wegen einiger Goldhamster und Lurche verzögert und die Unternehmen darunter zu leiden haben und womöglich länger als unbedingt nötig von der Außenwelt abgeschnitten sind. Wir brauchen auch an diesem Punkt wieder ein gesundes Maß.

Drittes Beispiel für deutsche Gründlichkeit ist die amtliche Industriestatistik: Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten müssen den Behörden Zahlen wie Umsatz, verkaufte Tonnage, Lohnsummen, Auftragseingang, Energieverwendung und einige mehr melden – dies zum Teil vierteljährlich. Dabei liegen die zu meldenden Daten keineswegs immer „fertig“ vor, sondern müssen oft aufwändig ermittelt und aufbereitet werden.

Dies sind nur drei Beispiele für den Wust an Bürokratie beziehungsweise an Umweltauflagen, den man als Unternehmer zu stemmen und zu beachten hat. Die Errungenschaften des Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutzes dürfen natürlich nicht zurückgenommen werden. Aber es muss einfachere Verfahren geben, um in der Praxis Recht und Gesetz anwenden zu können. Die Politik ist aufgefordert, ganz genau zu schauen, was unbedingt nötig ist. Sie ist auch aufgefordert zu schauen, was in der Praxis zumutbar ist. Und sie muss noch stärker den Kontakt zu Unternehmern suchen, um aus erster Hand zu erfahren und besser zu begreifen, was Bürokratieabbau wirklich bedeuten kann. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die keine eigene Rechtsabteilung vorhalten können, kämpfen mit Vorschriften, Paragraphen und Regeln, müssen sich durch Anträge und Formulare wühlen und verlieren so das aus den Augen, was sie am besten können und daher auch vorrangig tun sollten: Ihre Kunden mit deutscher Gründlichkeit, deutscher Qualität und deutscher Pünktlichkeit zu beliefern.

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Friedrich Wilhelm Wengeler

Geschäftsführer Wengeler & Kalthoff Hammerwerke GmbH & Co. KG

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