Was ist Arbeit? Mehr als das, was ein Mensch acht Stunden am Tag tun muss, um Miete, Lebensmittel und Kleidung zu bezahlen?
Ich denke ja, viel mehr. Viele Menschen sehen einen Sinn in ihrer Arbeit, sie entwickeln sich weiter, lernen etwas dazu, haben Erfolgserlebnisse. Viele Beschäftigte schließen Freundschaften in ihren Betrieben – oder erleben sozialen Zusammenhalt im Team.
Um es ein bisschen pathetisch zu sagen: Das Fundament unserer wirtschaftlichen Potenz sind die Unternehmen und ihre leistungsstarken und kreativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
In den meisten Unternehmen in Deutschland gehen die Menschen gern zur Arbeit. In mehreren repräsentativen Studien geben aktuell um die 80 Prozent der Befragten an, alles in allem zufrieden oder sogar glücklich mit ihrer Arbeit zu sein, Tendenz steigend (etwa: Arbeitszufriedenheit hoch: Was Deutsche im Job so glücklich macht - DER SPIEGEL). Das freut mich.
Der Standort braucht einen starken Schub für mehr Wettbewerbsfähigkeit
Was mich nicht freut, sondern eher befremdet: Im öffentlichen Diskurs findet seit einiger Zeit fast schon eine Art Verächtlichmachung von Arbeit statt. Es geht in vielen Talkshows, Publikationen und auf social media vor allem um Work-Life-Balance, Vier-Tage-Woche, den Anspruch auf Teilzeit – also um weniger Arbeit. Oder um das Bürgergeld – also um Nicht-Arbeit.
Ich erinnere hier gern an einen Satz des Agenda-2010-Kanzlers Gerhard Schröder: „Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft.“ Das gilt auch heute noch. Nur traut sich in der aktuellen Regierung kaum jemand, das zu sagen.
Deutschland steckt in einer Rezession, der Standort braucht einen starken Schub für mehr Wettbewerbsfähigkeit, viele Unternehmen suchen verzweifelt Fach- und Arbeitskräfte. Teile der Politik nehmen dieses Problem – und es ist ein großes Problem für den Standort und mit Blick auf das aktuell nicht vorhandene Wirtschaftswachstum – nicht wirklich ernst.
Vielmehr herrscht auch hier eine Tendenz vor, den Wert von Arbeit gering zu schätzen. Das manifestiert sich in hohen Steuern und ständig steigenden Lohnzusatzkosten. Und daran, dass im Zeitalter der Digitalisierung der Staat immer mehr Personal für vergleichsweise simple Verwaltungsaufgaben anstellt – eine fast schon kafkaeske Entwicklung.
Die Wirtschaft schrumpft, aber der Staat stellt immer weiter ein. Und verschärft damit den Fach- und Arbeitskräftemangel. Laut McKinsey könnten im Öffentlichen Dienst 165.000 Vollzeitstellen durch KI ersetzt werden (Öffentlicher Dienst: KI kann 165.000 Vollzeitkräfte ersetzen - WELT).
Nur mit Arbeit erhalten wir unseren Wohlstand
Die Politik sollte Arbeit in nicht-staatlichen Unternehmen wieder mehr wertschätzen, fördern und attraktiver gestalten. Rahmenbedingungen schaffen, die den Standort stärken. Um nur die wichtigsten Stellschrauben zu nennen:
- Die Lohnzusatzkosten sind in Deutschland viel zu hoch. Im internationalen Wettbewerb ist das ein massiver Standortnachteil. Der Staat muss den Menschen mehr Netto vom Brutto lassen, gerade in den unteren Verdienstgruppen. So motiviert er zu mehr Lust auf Arbeit.
- Viele Menschen wollen mehr arbeiten, müssen aber auf ihre Kinder aufpassen oder ihre kranken Eltern pflegen. Die Politik muss hier gegensteuern, vor allem in mehr Kitaplätze und gute Ganztagsschulen investieren.
- Die abschlagsfreie „Rente ab 63“ muss schnellstmöglich abgeschafft werden. Wir werden alle älter – und das bei besserer Gesundheit als die Vorgängergenerationen. Da sollte es auch selbstverständlich sein, länger zu arbeiten.
- Bürokratie frustriert Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wenn der Staat schneller, effizienter und digitaler wird, könnte ein Ruck durch die Gesellschaft gehen.
Fest steht: Ohne Arbeit ist alles andere nichts. Nur mit Arbeit erhalten wir unseren Wohlstand. Nur mit Arbeit können wir den Sozialstaat finanzieren. Nur mit Arbeit können wir äußere Sicherheit herstellen und ein verlässlicher Partner in der Europäischen Union und der NATO sein.
Von Ludwig Erhard, dem Vater der Sozialen Marktwirtschaft, stammt der Satz: „Je freier die Wirtschaft, umso sozialer ist sie auch.“ Ich würde mich freuen, wenn in Deutschland wieder mehr nach diesem Leitgedanken gehandelt werden würde.