Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Ohne eine starke Wirtschaft riskieren wir unseren Wohlstand!

Von Arndt G. Kirchhoff

Präsident von unternehmer nrw und Vorsitzender des Aufsichtsrats der KIRCHHOFF Gruppe

Bei der Europawahl steht für Nordrhein-Westfalen besonders viel auf dem Spiel, schreibt NRW-Unternehmerpräsident Arndt G. Kirchhoff im Blog.

Die Europawahl in wenigen Tagen ist eine der wichtigsten seit Bestehen der Europäischen Union. Unser Kontinent befindet sich im Spannungsfeld geopolitischer Krisen und Konflikte. Das Erstarken von Populisten, Nationalisten und sogar Extremisten sorgt dafür, dass Europa auch von innen massiv unter Druck steht. Die Frage ist, ob die Erfolgsgeschichte von mehr als sieben Jahrzehnten Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fortgesetzt werden kann. Es geht auch darum, ob die EU als beispielloses Wohlstandsprojekt in einem unübersichtlichen und schwierigen Umfeld eine gute Zukunft hat.

Für Nordrhein-Westfalen steht besonders viel auf dem Spiel: Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat kürzlich ausgerechnet, dass ein Dexit – also ein Austritt Deutschlands aus der EU – allein für NRW ein Minus von mehr als fünf Prozent seiner Wirtschaftsleistung und den Verlust von fast 500.000 Arbeitsplätzen bedeuten würde. All‘ jenen, die im Europawahlkampf von einem Dexit fabuliert haben, sei daher gesagt: Das wäre nicht nur ein Himmelfahrtskommando, es würde unser Land völlig ruinieren. Wir alle haben ein großes Interesse daran, dass diese Europawahl nicht jene stärkt, die Europa nur zerstören, nicht aber verbessern wollen.

Dexit würde unser Land völlig ruinieren

Doch Europa muss auch selbst mehr tun. Vorhaben wie die Lieferkettenrichtlinie, Taxonomie oder Nachhaltigkeitsberichterstattung tragen dazu bei, dass Brüssel in Augen vieler vor allem für Bürokratie und Regulierung steht. Dies muss sich jetzt dringend ändern. Um im harten globalen Standortwettbewerb erfolgreich zu sein, muss Europa wieder konkurrenzfähiger und wirtschaftlich stärker werden. Sonst wird dieser Kontinent zum Spielball anderer. Und deshalb gilt: Ein starkes Europa braucht eine starke Wirtschaft, doch eine starke Wirtschaft braucht auch ein starkes Europa. 

Auch Deutschland braucht zwingend eine starke Wirtschaft – vielleicht mehr denn je. Doch unser Land ist in schlechter Verfassung. Jahrelang wurde viel zu wenig in die Zukunft unseres Landes investiert. Während der Sozialstaat kontinuierlich ausgebaut wurde, hat die Politik bei der vorsorgenden Instandhaltung massiv gespart. Die bitteren Folgen erleben wir Tag für Tag.

Unsere industrielle Basis bröckelt

Schienen, Straßen, Autobahnen, Brücken, Wasserwege, dazu Schulen und andere öffentliche Einrichtungen sind immer öfter in einem besorgniserregenden Zustand. Für Frustration sorgt, dass die überbordende Bürokratie die Entwicklung in unserem Land insgesamt lähmt. Die Digitalisierung des Staates kommt kaum voran. In einem frappierenden Widerspruch dazu steht die immer weiter steigende Steuer- und Abgabenlast.

Gleichzeitig wird die wirtschaftliche Lage immer ernster. Weltweit ist Deutschland das einzige Industrieland, das schrumpft. Unsere industrielle Basis bröckelt. Unsere Wertschöpfungsketten sind in Gefahr. Wir reden hier über die Kernbereiche unserer Volkswirtschaft. Doch ausgerechnet jetzt erleben wir eine Regierung ohne Strategie. Wo sind die Konzepte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit? Wo sind die Maßnahmen zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung? Und wo sind die Weichenstellungen für die Bewältigung der Transformation? 

Klare Vorfahrt für Wirtschaft und Arbeit

Und da sind Wachstumschancengesetz und Kraftwerksstrategie alles andere als ein großer Wurf. Beide reichen bei weitem nicht aus, um einen durchgreifenden und nachhaltigen wirtschaftlichen Aufbruch zu bewirken. Gleichzeitig wird ein Rentenpaket beschlossen, das nicht nur Beitrags- und Steuerzahlern zweistellige Milliardenbeträge pro Jahr als Mehrbelastung aufhalst, sondern zudem eine dauerhafte Abkehr von einer nachhaltigen Alterssicherungspolitik markiert. Wir erleben zu viel wirtschafts- und sozialpolitisches Stückwerk, das auch zu einem inzwischen nicht unerheblichen Vertrauensverlust der Politik beiträgt.

Wirtschaft und Arbeit müssen jetzt klare Vorfahrt erhalten, sonst ist unser Wohlstand massiv gefährdet. Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes muss im Mittelpunkt stehen. Dazu brauchen wir ein neues Bewusstsein für den Wert von Arbeit. Es ist eine gefährliche Illusion zu glauben, dass Wohlstand ohne Anstrengung und Leistung möglich ist. Auch die gesellschaftspolitische Debatte über eine Verkürzung der Arbeitszeit ist völlig grotesk. Wir werden uns vielmehr an den Gedanken gewöhnen müssen, eher mehr und auf die Lebensarbeitszeit bezogen auch länger zu arbeiten. Das alles ist kein Selbstzweck. Es ist die unabdingbare Grundlage für einen wehrhaften Staat, einen leistungsfähigen Sozialstaat, das Gelingen der digitalen und nachhaltigen Transformation und die Zukunftssicherung von Millionen von Arbeitsplätzen.

Dieser Text erschien am 5. Juni 2024 auch als Gastbeitrag in der Rheinischen Post.

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Arndt G. Kirchhoff

Präsident von unternehmer nrw und Vorsitzender des Aufsichtsrats der KIRCHHOFF Gruppe

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