Von Dr. Markus Krebber
Vorstandsvorsitzender RWE AG
Was unser Industriestandort braucht, damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung erhalten bleiben
Nur noch drei Wochen, dann beginnt das neue Jahr. Traditionell ist das die Zeit der gute Vorsätze. Sport, gesunde Ernährung, mehr Zeit für Freunde und Familie – meist sind es hervorragende Ziele, die sich viele Menschen setzen. Aus Erfahrung wissen wir aber auch: Sich Gutes vornehmen ist leicht, es umzusetzen jedoch die eigentliche Herausforderung.
Bei der Energiewende ist das nicht anders. Deutschland hat ambitionierte Ziele; bis 2045 soll unser Land klimaneutral sein. Das zu erreichen, ist gewiss kein Selbstläufer, im Gegenteil: Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist derzeit noch viel zu groß. Der Ausbau der Stromnetze, der Solarparks und Windkraftanlagen, der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, all das braucht sehr viel mehr Geschwindigkeit als in den vergangenen Jahren. Da ist noch richtig viel zu tun.
Versorgungssicherheit bleibt unverzichtbar
Gerade im Industrieland Nordrhein-Westfalen weiß man zudem: Mit dem Umstieg auf immer mehr volatilen Wind- und Sonnenstrom steigt der Bedarf an Speichern und gesicherter Leistung rasant. Vereinfacht gesagt: Neben dem massiven Ausbau von Erneuerbaren Energien braucht unser Industriestandort dringend Lösungen für eine bezahlbare und perspektivisch grüne Energie, die rund um die Uhr und bei jedem Wetter verlässlich zur Verfügung steht.
Batterien sind ein Teil der Lösung, aber eben nur ein Teil, weil sie die Stromversorgung lediglich für kurze Phasen stabil halten können. Für längere Zeiträume sind Backup-Kapazitäten nötig, die immer dann abrufbar sind, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Dafür bleibt in Deutschland nur der Energieträger Gas. Auch diese Anlagen werden später grünen Strom produzieren, zum Beispiel wenn sie mit CO2-freiem Wasserstoff betrieben werden. Bis dieser in ausreichenden Mengen zu Verfügung steht, wird noch einige Zeit vergehen. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung betonen SPD, Grüne und FDP zurecht, dass Erdgas deshalb für eine Übergangzeit unverzichtbar ist. Und: Die Koalitionspartner wissen ebenfalls, dass dies auch für den massiven Zubau neuer Gaskraftwerke gilt. Sie sind eine notwendige Bedingung für die Versorgungssicherheit in unserem Land.
"Neben dem massiven Ausbau von Erneuerbaren Energien braucht unser Industriestandort dringend Lösungen für eine bezahlbare und perspektivisch grüne Energie, die rund um die Uhr und bei jedem Wetter verlässlich zur Verfügung steht."
Wasserstoffwirtschaft steht in den Startlöchern
Wasserstoff gilt zurecht als der Schlüssel für die Dekarbonisierung der Industrie. Nur mit ihm sind Sektoren wie Chemie und Stahl auf Klimaneutralität umzustellen. NRW hat dafür hervorragende Voraussetzungen; das Land kann auf eine gute, bestehende Infrastruktur aufbauen und diese fit für den neuen Energieträger machen. Auch Energiewirtschaft und Industrie stehen in den Startlöchern. Sie wollen, können aber noch nicht investieren, da derzeit insbesondere notwendige Rahmenbedingungen und ein effizientes Förderregime fehlen – für die Produktion von grünem Wasserstoff; für die Finanzierung der Netzinfrastruktur; für Anschubförderung, die die Umstellung auf wasserstoffbasierte Produktionsprozesse ermöglicht, aber auch ganz generell für die Nutzung und für Möglichkeiten zum Import. Hier ist die Politik gefordert, damit die guten Pläne nicht in den Schubladen der Unternehmen bleiben. Sobald die Bedingungen stimmen, werden sie loslegen.
Unser Angebot: Erneuerbare Energien und wasserstofffähige Gaskraftwerke
RWE ist eines der weltweit führenden Unternehmen bei Erneuerbaren Energien. In den vergangenen Jahren haben wir in unserem Unternehmen die organisatorischen und finanziellen Grundlagen für ein wachstumsstarkes Jahrzehnt gelegt. Jetzt ziehen wir unser Tempo richtig an. Bis 2030 investiert RWE 50 Milliarden Euro brutto in unser grünes Kerngeschäft – das sind 50 Milliarden Euro für den Klimaschutz. Damit weiten wir unsere eigene Kapazität bei Offshore- und Onshore-Windkraft, Solar, Speichern, flexiblen Backup-Kapazitäten und Wasserstoff massiv aus. 2030 wird sie 50 Gigawatt betragen – nahezu eine Verdopplung gegenüber heute.
Unserem Heimatmarkt Deutschland und dem Energieland NRW fühlen wir uns ganz besonders verbunden. Seit über 120 Jahren haben wir hier unsere Wurzeln. Deutschland ist zudem ein attraktiver Investitionsstandort. Der Ausstieg aus Kernenergie und Kohle schafft Raum für Neues. Den wollen wir nutzen und in dieser Dekade in Deutschland bis zu 15 Milliarden Euro brutto in den Ausbau von Erneuerbaren Energien, Speichern, Wasserstoff und wasserstofffähigen Gaskraftwerken investieren. Wir wollen jedes Projekt machen, das möglich ist. Damit sichern wir auch Arbeitsplätze und Wertschöpfung in NRW. Und wir bleiben ein Partner unserer Industrie. RWE wird weiterhin zuverlässig und bezahlbar Strom liefern, der in den kommenden Jahren immer grüner wird.
Gemeinsame Kraftanstrengung von Politik und Wirtschaft
Der Weg zur Klimaneutralität wird aber nur als gemeinsame Kraftanstrengung von Politik und Wirtschaft funktionieren. An marktwirtschaftlichen Instrumenten führt dabei kein Weg vorbei, wenn wir international erfolgreich bleiben wollen. Die Industrie hat der Politik dafür viele Vorschläge unterbreitet. Jetzt ist die Politik am Zug.
Sie hat die Aufgabe, zügig die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Energiewende in all ihren Facetten deutlich zu beschleunigen. Wenn das gelingt, werden die kommenden Jahre große Fortschritte bringen – für den Klimaschutz und den Wirtschaftsstandort NRW. Wie zum Jahreswechsel gilt also: Sich Gutes vornehmen ist leicht, es umzusetzen jedoch die eigentliche Herausforderung. Packen wir es gemeinsam an.