Dass das Handwerk in Nordrhein-Westfalen zu den bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren zählt, ist bekannt. Auch die Politik in NRW hat ein starkes Bekenntnis zur „Wirtschaftsmacht von nebenan“ abgegeben, indem sie als einziges Bundesland ein Handwerksministerium eingeführt und eine parlamentarische Enquetekommission zur Zukunft des Handwerks eingerichtet hat. Wir freuen uns darüber, weil es dokumentiert, dass der Beitrag des Handwerks zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes in der Landespolitik wertgeschätzt wird.
Wertschätzung der Politik für einen Wirtschaftszeig, der mit seinen 190.000 Betrieben und seinen 1,1 Millionen Beschäftigten gegenwärtig rund 116 Milliarden Euro umsetzt, ist sicher gerechtfertigt. Doch wird dies auch so bleiben? Gewiss: Der Abschlussbericht der Enquetekommission des NRW-Landtags ist zweifelsohne ein ermutigendes Signal für den anhaltend hohen Stellenwert unserer Branche in der Landespolitik – auch deshalb, weil er einstimmig und damit über alle Parteigrenzen hinweg angenommen wurde. Exakt 173 Handlungsempfehlungen auf 270 Seiten zeigen Impulse auf, wie Qualifikation im Handwerk gestärkt, Fachkräftenachwuchs für das Handwerk gesichert und eine Kultur der Selbständigkeit im Handwerk gefördert werden kann. Das hat uns beeindruckt.
Klar ist aber auch: Ein starkes Nordrhein-Westfalen ist ohne ein starkes Handwerk nicht denkbar. Und unser Land wird die Ausbildungsstärke und Leistungsfähigkeit der über 100 handwerklichen Berufe brauchen, wenn es bei der Wirtschaftsdynamik weiter zulegen und den Abstand zu den Wachstumszentren der Republik verkürzen will. Ein sofortiger Regulierungs-Stopp wäre ein geeignetes Mittel, wenn die Politik mehr Dynamik für unser Land entfachen will. Doch weniger Regulierung und weniger Bürokratie sind für unsere Handwerksbetriebe indes nicht in Sicht. Eher im Gegenteil: Zuletzt haben zwei Landesgesetze dem Handwerk massiv geschadet – das Tariftreue- und Vergabegesetz und die sogenannte Hygiene-Ampel.
Das Tariftreue- und Vergabegesetz wurde zwar novelliert, doch auch sein neues Gewand ist nicht viel ansehnlicher. Ein Beispiel: Bislang mussten Bieter, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligten, Nachweise beibringen, dass sie nur Produkte verwenden, die unter Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen hergestellt worden sind. Sofern dies nicht möglich war, muss eine Erklärung abgegeben werden, dass trotz Beachtung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns eine derartige Erklärung nicht abgegeben werden konnte. Nach der neuen Rechtsverordnung sollen diese Eigenerklärungen jetzt wieder abgeschafft werden. Stattdessen favorisiert die Verordnung ein neues System von Zertifikaten. Doch diese sind bisher noch gar nicht entwickelt, wären obendrein für unsere Betriebe teuer und in der praktischen Handhabung mit hohem Aufwand verbunden. Hiermit wird die bescheidene Verbesserung des Gesetzes wieder zunichte gemacht und durch neue Dokumentationspflichten sogar zusätzliche Bürokratie verursacht.
Ein Ausbund an zusätzlicher Bürokratie droht auch das „Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz“ zu werden, besser bekannt als „Hygiene-Ampel“. Was soll uns das bringen? Schon heute verfügen die Überwachungsbehörden des Landes über ein umfangreiches Instrumentarium, mit dem sie Verstöße gegen die Hygiene ahnden können: Verwarnungen, Geldbußen, in schweren Fällen sogar Betriebsschließungen! Es ist alles da, es wird auch tausendfach angewendet – gerade die Lebensmittelkontrolle in NRW ist für ihre Strenge bekannt.
Für uns im Handwerk steht fest: Die Hygiene-Ampel als öffentlich sichtbares Kontrollbarometer, das Betriebe mit rot, gelb oder grün bewertet und je nach Farbwahl existenziell gefährden kann, steht für eine ideologisch motivierte Überregulierung der Regierungspolitik in Nordrhein-Westfalen. Der Kunde sieht am Eingang die Ampelfarbe, ohne aber den eigentlichen Mangel zu kennen, der Grund für die Farbwahl war. Transparenz sieht anders aus. Schlimmer noch aber ist die Philosophie und Motivation, die hinter diesem Gesetz steckt: Betriebe sollen erst einmal mit Argwohn und Misstrauen betrachtet werden, anstatt sie mit Unterstützung willkommen zu heißen. Für Investitionen in diesem Land ist dies genau der falsche Politikansatz.