Seit über einem Jahr schon prüft die Corona-Pandemie unser Wirtschaftsland auf Herz und Nieren. Das Geschäftsjahr ist für viele Unternehmen nicht mehr in Quartale unterteilt, sie planen von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Mit bangem Blick auf Infektionsgeschehen und föderales Krisenmanagement sind sie immer wieder gezwungen, sich neu zu erfinden. Ein Extrembeispiel dafür, dass Resilienz vor allem eines bedeutet: Anpassungsfähigkeit.
Anpassungsfähigkeit ist selten ein Zufall. Unternehmen, die gut ausgebildete und selbständig agierende Mitarbeiter und Führungskräfte haben, finden leichter kreative und angemessene Lösungen. Unternehmen, die schon vor der Krise Prozesse und Geschäftsmodelle digitalisierten, haben es jetzt leichter. Und bei der Energieversorgung waren wir vorbereitet. Inmitten der Pandemie haben wir die höchste Versorgungssicherheit seit Aufzeichnung der Messungen erreicht.
Auf der anderen Seite treten in Krisenzeiten auch Versäumnisse zu Tage. Die schlimmsten Versäumnisse fangen im Kopf an: Wir haben uns auf unserem Wohlstand ausgeruht und zu wenig in unsere Zukunft investiert. Arbeitnehmer im Homeoffice und ganze Betriebe leiden zum Beispiel unter den mangelhaften Ausbau unseres Glasfasernetzes, das einer Industrienation wie Deutschland vollkommen unwürdig ist. Und Abhilfe kommt auch nicht schnell: Denn unsere komplexen Regelungen bremsen große Investitionsvorhaben. Man denke nur an Genehmigungsverfahren von über 10 Jahren für den Ersatz der Autobahnbrücke bei Köln. Wie bei der Impfung gegen COVID-19 müssen wir endlich VOR die Welle kommen.
Resilienz bedeutet zukünftig vor allem, sich an die Anforderungen des Klimawandels anzupassen. Europa will unter dem Dach des Green Deal bis 2050 CO2-neutrale Wertschöpfungsketten aufbauen. Unternehmen aber können ihre Klimaziele nur erreichen, wenn die Voraussetzungen stimmen. Ein gutes Zeichen ist hier die Entscheidung zur Förderung industrieller Wasserstofflösungen, wie E.ON sie mit vielen Partnern auch hier in NRW umsetzt. Noch entscheidender für die meisten Betriebe und unseren Wirtschaftsstandort insgesamt sind aber zwei andere Aspekte.
Mit jedem Solarpanel auf einem Bürogebäude, jedem elektrisch betriebenen Dienstfahrzeug muss unser Stromnetz mitwachsen. Der Investitionsbedarf allein im deutschen Stromverteilnetz beträgt laut RWTH Aachen bis 2050 über 100 Milliarden Euro. Wenn nicht so schnell wie möglich massiv in diese kritische Infrastruktur investiert wird, manövrieren wir nach dem Breitbanddesaster in die nächste und teure Systemkrise.
„Wir verwalten uns zu Tode.“
Genau das aber riskiert Deutschland durch mangelnde Anreize in der Regulierung, ausufernde Bürokratie und schleppende Genehmigungserfahren. Beim Ausbau der Erneuerbaren genauso wie beim Netzausbau. Wir verwalten uns zu Tode. Und gerade die so dringend benötigten Innovationen prallen förmlich ab an unserer Regulierungs- und Rechtspraxis. Das zeigt der so wichtige aber hierzulande recht klägliche Rollout intelligenter Messsysteme. Er hat bei uns in Deutschland noch gar nicht richtig begonnen, während andere Länder schon die zweite und dritte Generation installieren. Die Digitalisierung der Energieversorgung wird so zur Ochsentour.
Gleiches gilt bei den Energiepreisen. Energieintensive Unternehmen sind zumindest von der EEG-Umlage befreit. Grundsätzlich aber ist unser Wirtschaftsstandort seit Jahren von hohen Abgaben und Umlagen auf Grünstrom betroffen. Gerade die Energieform also, die fossile Brennstoffe vom Markt verdrängen soll, wird unverhältnismäßig belastet. Die eigene Fahrzeugflotte auf Elektroautos umzurüsten beispielsweise wird so für viele Unternehmen zum finanziellen Drahtseilakt. Die Tatsache, dass die Ökostrom-Erzeugung selbst seit Jahren immer günstiger wurde, wird ad absurdum geführt.
Vor diesem Hintergrund ist es bezeichnend, dass der Bundesrechnungshof in seinem Bericht über die Energiewende in Deutschland die Alarmglocken läutet. Der Strompreis in Deutschland sei derzeit mit 40 Prozent über dem Durchschnitt der höchste in Europa. Das schade neben den Haushalten vor allem kleineren Betrieben. Die Wettbewerbsfähigkeit sei in Gefahr.
Der Bundesrechnungshof verweist darauf, dass neben den Nachhaltigkeitszielen auch die Bezahlbarkeit einem Monitoring unterworfen werden müsse. Gleiches gelte für die Versorgungsicherheit. Der Bericht mahnt ein „Worst Case“ Szenario an, in dem mehrere absehbare Risiken zusammentreffen, die die Versorgungssicherheit gefährden. Das Bundeswirtschaftsministerium lehnt das als nicht sachgerecht ab.
Ich möchte diesen Disput gar nicht werten. Aber die Regierung muss sicherstellen, dass die Sicherheit der Energieversorgung nicht gefährdet ist. Und dazu gehört auch ein massiver Ausbau von Transport- und Verteilnetz. Da hängen wir massiv zurück, obwohl wir wissen, dass ein vorausschauender Ausbau billiger ist, als Engpässen hinterher zu bauen.
Um Klartext im Westen zu sprechen: Nicht auf die Absicht kommt es an, sondern auf die Umsetzung! Deutschland kann es besser, muss es aber auch wollen!