Wann eigentlich, wenn nicht jetzt? Unsere Wirtschaft erlebt den längsten Aufschwung seit Jahrzehnten. Noch nie gab es hierzulande mehr Arbeitsplätze. Für diese besondere Leistung in Nordrhein-Westfalen vor allem verantwortlich ist der Mittelstand. Er ist in der Tat das Rückgrat unseres Landes. Oft wird Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich nur dann wahrgenommen, wenn über die großen Konzerne an Rhein und Ruhr berichtet wird. Dabei wissen nur wenige, dass kein anderes Land in der Republik so viele mittelständische Unternehmen hat wie NRW. Und das es eigentlich dieses erfolgreiche Zusammenspiel zwischen Konzernen und Mittelstand ist, das NRW zu einem besonderen Standort macht.
Hierzulande sind etwa 99 Prozent der Unternehmen mittelständisch geprägt, in den Betrieben sind 80 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und 82 Prozent der Auszubildenden in Lohn und Brot. Viele der Unternehmen sind Weltmarktführer, sogenannte Hidden Champions. Doch oft wirken sie eher im Verborgenen, obwohl sie so unverzichtbar für unser Land sind. Ich finde, die Politik könnte diese großartige Leistung mehr honorieren.
Damit meine ich mehr als nur das obligatorische Lob über mittelständische, ja zumeist Familienunternehmen in Sonntagsreden. Nein, ich denke an handfeste Maßnahmen: Wie kann Regulierung weniger werden? Was kann getan werden, dass weniger Bürokratie die Unternehmen belastet? Wie können Menschen zur Selbständigkeit motiviert werden? Wie können Unternehmen – vor allem in den Industriegebieten – mit schnellem Internet versorgt werden? Oder auch die Frage, wie denn Zusammenarbeit von Mittelstand und Wissenschaft verbessert werden kann?
Das alles könnte die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Je wettbewerbsfähiger die Unternehmen, desto wettbewerbsfähiger ist auch unser Land. Die Politik kann da eine Menge tun. Macht sie im Grunde auch – aber in NRW unter dem Strich deutlich weniger als anderswo in der Republik. Immer wieder behandelt sie die Unternehmen wie ein ungeliebtes Stiefkind. Oder wie es Churchill einmal gesagt hat, wie eine Kuh, die man melken kann anstatt in ihnen das Pferd zu sehen, das den Karren zieht.
Anderswo in der Welt haben sich die großartigen Leistungen längst herumgesprochen – und das hat Folgen: Einerseits wohlwollend begleitet, andererseits aber auch misstrauisch beäugt erleben wir so manche Direktinvestition chinesischer Konzerne im deutschen Mittelstand. So manchen hierzulande umtreibt nun gleich die Sorge, dass der Ausverkauf etwa der Juwelen des deutschen Maschinenbaus unmittelbar bevorsteht. Soweit ist es natürlich noch nicht. Aber es ist ein Weckruf an die Politik. Manche Mittelständler begeben sich auch deshalb unter das Dach von – zumeist internationalen – Konzernen, weil ihnen durch die Summe der belastenden und verunsichernden Standortbedingungen das Vertrauen in eine erfolgreiche Zukunft in Selbständigkeit abhandenkommt.
Deshalb meine ich, dass unsere Politiker klug beraten sind, diese Entwicklung ernst zu nehmen. Hege und Pflege der Unternehmen – insbesondere in der Industrie – ist das Gebot der Stunde. Deutschland ist wirtschaftlich auch deshalb so stark, weil es eine wettbewerbsfähige mittelständische Industrie hat. Das gilt auch für die industriellen Kraftzentren Nordrhein-Westfalens. Sie nicht nur zu erhalten, sondern sie zu fördern und tatkräftig zu unterstützen – ja, ihnen den roten Teppich auszurollen, das wäre eine gute Politik.
Das würde unseren Unternehmen zeigen, dass sie willkommen ist, dass wir stolz auf ihre Leistungsfähigkeit sind. Das könnte echte Aufbruchsstimmung im Land erzeugen. Das wird sie zu Investitionen an den Standorten in NRW ermutigen. Und die wären so wichtig, Damit Nordrhein-Westfalen als Wirtschaftsstandort weiter nach vorn kommen kann. Eine solche Politik würde letztlich Arbeitsplätze zukunftssicher machen. Junge Menschen bekommen weiter eine verlässliche berufliche Perspektive in unserem Land. Beides führt zu breitem Wohlstand und sichert auch unsere Sozialsysteme. Kurz: Eine solche Politik macht unser Land wettbewerbsfähiger. Und – das liegt mir in Zeiten wie diesen besonders am Herzen: Sie stabilisiert letztlich den sozialen Frieden und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt.