Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Wettbewerbsfähigkeit ist Schlüsselfaktor für Deutschlands Zukunftsfähigkeit

Von Arndt G. Kirchhoff

Präsident von unternehmer nrw und Vorsitzender des Aufsichtsrats der KIRCHHOFF Gruppe

Der Präsident von unternehmer nrw, Arndt G. Kirchhoff, fordert im NRW-Wirtschaftsblog die Politik auf, die Wirtschaft zu stärken.

Die Klimaziele der Politik sind ehrgeizig. Die Herausforderungen für die Wirtschaft sind immens. Die Transformation soll in Rekordgeschwindigkeit vollzogen werden – in Wirtschaft, Verwaltung, privaten Haushalten. Bis 2045 soll unser Land klimaneutral sein. Der Kohleausstieg ist auf 2038 fest fixiert, doch schon 2030 politisch gewünscht. Für NRW hat Schwarz-Grün diesen Termin sogar in den Koalitionsvertrag geschrieben. Das wird mehr als sportlich, denn es sind keine sieben Jahre mehr.

Damit das klappen kann, müssten nun jeden Tag Photovoltaikanlagen gebaut werden, die der Größe von 43 Fußballfeldern entsprechen. Dazu jede Woche 27 Windräder an Land, weitere 4 Windräder Off-Shore auf See. Außerdem sollten Woche für Woche 34.000 Elektrofahrzeuge – das wäre jede zweite PKW-Neuzulassung – in Betrieb genommen werden. Das sind nur drei Beispiele. Nicht mitgezählt sind der Ausbau von Elektrolyseuren, Wärmepumpen, Elektrizitätsnetzen und Speicherkapazitäten sowie Gebäudesanierungen in vergleichbaren Größenordnungen. All‘ dies gleichzeitig und ab sofort. Sonst wird das nichts mit den Transformationszielen.

Die Herausforderungen für die Wirtschaft sind immens

Dieser Umbau trifft Deutschland in extrem schwierigen Zeiten: Die Wirtschaft muss sich nach drei Jahren Pandemie neu sortieren und kämpft branchenübergreifend mit der Rezession. Gleichzeitig hat sie alle Hände voll zu tun, um trotz Fach- und Arbeitskräftemangel und explodierender Energiekosten international wettbewerbsfähig zu bleiben. Schwer zu schaffen macht uns der mancherorts desaströse Zustand der Infrastruktur – Straßen, Brücken, Autobahnen, Schiene, Wasserstraßen. Und: Bürokratie und Regulierung haben unser Land gelähmt. Zudem steckt die Digitalisierung noch allzu häufig in den Kinderschuhen. Vielschichtiger könnten die Herausforderungen wohl nicht sein.

Es ist gut, dass der Bundeskanzler das neue Deutschland-Tempo angekündigt hat, als er Ende 2022 das neue LNG-Terminal in Wilhelmshaven eröffnete. Kein Jahr brauchte es dort für Planung, Genehmigung und Bau – eine für deutsche Verhältnisse geradezu unerhörte Geschwindigkeit. Das muss jetzt der Maßstab für die riesige Zahl von Infrastrukturprojekten sein, die dringend auf Umsetzung warten. Nicht nur beim Verkehr, sondern auch bei Windrädern, Speichern, Stromtrassen, Konvertern. Wichtig: Der Tempowechsel muss überall stattfinden – im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden. Es muss jetzt an die Umsetzung gehen.

Schlüsselfaktor Energiepolitik

Absoluter Schlüsselfaktor für die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland ist die Energiepolitik. Unsere Betriebe brauchen einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis – und zwar sofort! Die Signale aus den energieintensiven Branchen sind eindeutig: Ohne konkurrenzfähige Energiepreise wird nicht mehr in Deutschland investiert. Wir reden über die Stahlindustrie, die Chemische Industrie, Aluminium, Glas, Papier, Zement, auch über bedeutende Teile der Metall- und Elektroindustrie – allesamt mit vielen hunderttausend Industriearbeitsplätzen und Basis für den Wohlstand unseres Landes.

Gerade der energieintensive industrielle Mittelstand ist hier auf wirksame Entlastungen angewiesen. Obwohl besonders heimatverbunden, droht auch hier ein schleichender Rückzug aus Deutschland. Dann aber wären unsere industriellen Wertschöpfungsketten gefährdet. Diese sind einer der wenigen Standortvorteile, die unser Land noch hat – und Nordrhein-Westfalen allemal. Damit der Preis-Druck insgesamt nachlässt, muss gleichzeitig auch das Strom-Angebot erhöht werden. Machen wir uns bewusst: Alles hängt mit allem zusammen.

Deutschland braucht eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

Völlig zu Recht hatte die Bundesregierung ein umfassendes Belastungsmoratorium für die Wirtschaft angekündigt. Doch das Versprechen droht zu einem leeren Lippenbekenntnis zu werden. Als gäbe es die aktuellen Krisen nicht, wird im Bundesarbeitsministerium unverdrossen an neuen bürokratischen Gesetzesvorhaben und teuren Projekten gefeilt: Arbeitszeitgesetz, Mobile Arbeit Gesetz, Tariftreuegesetz, Hinweisgeberschutzgesetz – das allein ist die Liste für 2023. Da ist das neue Deutschland-Tempo offensichtlich missverstanden worden.

Unser Land braucht jetzt eine Politik, die ihren Schwerpunkt auf Investitionen und Innovationen setzt. Nur mit einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft kommt Deutschland wieder nach vorn. Und darum muss die Politik jetzt alles tun, was die Unternehmen stärkt und alles unterlassen, was sie schwächt.

Der Beitrag von NRW-Unternehmerpräsident Arndt G. Kirchhoff erschien am 12. August 2023 als Gastbeitrag in der Rheinischen Post.

Über den Autor
Arndt G. Kirchhoff

Präsident von unternehmer nrw und Vorsitzender des Aufsichtsrats der KIRCHHOFF Gruppe

Zum Autor