Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Berufliche Bildung als Wettbewerbsfaktor

Von Timm Helten-Hildwein

Leiter Bildung- und Arbeitsmarktpolitik unternehmer nrw

Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Berufskollegs in NRW, nimmt Timm Helten-Hildwein, Leiter Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik unternehmer nrw, die berufliche Bildung in den Blick.

Die Berufskollegs in NRW feiern dieses Jahr 25-jähriges Bestehen. Dieser Anlass ist eine gute Gelegenheit, den Blick auf einen besonderen Bildungsweg zu legen – die berufliche Bildung. 

Der beruflichen Bildung – und insbesondere dem System der dualen Berufsausbildung – kommt bei der Fachkräftesicherung eine zentrale Rolle zu. Die duale Berufsausbildung ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor der deutschen Wirtschaft und ein Grund für die hierzulande geringe Jugendarbeitslosigkeit (März 2024: Deutschland 5,8 %, der EU-Durchschnitt lag bei 14,6 %). Die enge Verknüpfung von Lernen und Praxis sichert den Unternehmen bedarfsgerecht ausgebildete Fachkräfte. Jungen Menschen eröffnet die duale Ausbildung einen erfolgreichen Start in das Berufsleben und vielfältige Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten. Gut ausgebildete Fachkräfte und moderne Ausbildungsberufe sind auch für eine erfolgreiche digitale wie nachhaltige Transformation in unserem Land unerlässlich. 

Alle Hebel in Bewegung setzen!

Die Wirtschaft in NRW weiß, wie wichtig eigene Ausbildungsaktivitäten für die Fachkräftesicherung sind. Sie bildet daher auf hohem Niveau aus und engagiert sich für die Ausbildung. Unternehmen und Verbände sind an vielen Stellen aktiv. So finden vielfältige Aktivitäten zur Berufsorientierung und Ausbildung der Wirtschaft statt, um mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung zu begeistern bzw. zu gewinnen.

Wir sind davon überzeugt: Auch und gerade in Zukunft braucht es die duale Ausbildung als hervorragenden Qualifizierungsweg. Umso mehr bereitet es Sorge, dass die Nachfrage nach diesem Bildungsweg in den vergangenen Jahren stark gesunken ist. Ausbildungsangebot und -nachfrage klaffen mehr und mehr auseinander. An vielen Stellen fehlen Bewerberinnen und Bewerber – so blieben 2023 in Nordrhein-Westfalen rund 11.500 Ausbildungsplätze unbesetzt. Aktuell ist erfreulicherweise hier ein leichter Zuwachs zu verzeichnen. Die Herausforderung des Bewerbendenmangels bleibt aber bestehen. Daher gilt es nach wie vor, alle Hebel in Bewegung zu setzen und Potenziale auszuschöpfen, damit jungen Menschen und Betriebe zueinander finden und nach Möglichkeit dann auch langfristig zusammenbleiben.  

Was starke berufliche Bildung braucht

Zur Stärkung der beruflichen Bildung ist die Umsetzung eines mehrteiligen Maßnahmenpakets erforderlich. Dieses sollte insbesondere auf die Attraktivität der dualen Ausbildung einzahlen sowie die Perspektive der Betriebe und deren Fachkräftesicherung stärker berücksichtigen:

Gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen setzen: Für eine starke Ausbildung braucht es Betriebe, die optimistisch in ihre wirtschaftliche Zukunft blicken können. Was aus Sicht der Wirtschaft insbesondere jetzt aufgrund multipler globaler, ökonomischer wie gesellschaftlicher Herausforderungen dafür dringend benötigt wird: Verlässlichkeit und eine Politik für mehr Wettbewerbsfähigkeit sowie einen klaren Vorrang für Wirtschaft und Arbeit.

Bildungssystem verbessern und Ausbildungsreife herstellen: Uns gehen nach wie vor zu viele Talente und Begabungen verloren. Wir können und dürfen es uns nicht leisten, dass vielen jungen Menschen in ihrer Schulzeit das Rüstzeug für ihren weiteren beruflichen Lebensweg wie Lesen, Schreiben oder Rechnen nicht ausreichend vermittelt wird. Sie fehlen den Unternehmen später als Arbeits- und Fachkräfte, gleichzeitig haben sie ein höheres Risiko von Arbeitslosigkeit. 

Berufsorientierung stärken und Unterricht praxisorientiert gestalten: Mit Blick auf die Wahrnehmung bei Eltern, Lehrkräften und insgesamt in der Gesellschaft gilt es, Karrierechancen und Perspektiven der Ausbildung herauszustellen sowie Berufe und die Arbeitswelt erlebbar zu machen. Berufsorientierung muss bereits frühzeitig in der Schule stattfinden und noch stärker systemisch verankert sein. Schule kann diese Aufgabe aber nicht alleine leisten. Die Wirtschaft in NRW setzt daher erfolgreich Initiativen wie SCHULEWIRTSCHAFT um.

Den Übergang von der Schule in den Beruf ebnen: Der Übergang von der Schule in Ausbildung sollte in einem möglichst kohärenten Beratungs- und Unterstützungssystem stattfinden. Ein Augenmerk sollte auf jenen Jugendlichen liegen, die besondere Unterstützung brauchen. An Übergängen und Schnittstellen darf niemand verloren gehen.

Die duale Ausbildung priorisieren: Im Zentrum der Arbeit der Berufskollegs steht aus Sicht der Wirtschaft die duale Ausbildung. Dies bedeutet, dass dieser bei schulinterner, aber auch bei regionaler Bildungsangebotsplanung und -implementierung klar der Vorrang gegeben werden sollte.

Lehrkräfte für die Berufsschulen sicherstellen: Die Sicherstellung eines fachlich passenden und vom Umfang ausreichenden Lehrkräftenachwuchses für Berufskollegs ist eine Daueraufgabe für das Land NRW. Sie ist aktuell gerade in einigen gewerblich-technischen Fachrichtungen eine besondere Herausforderung. Richtige Wege wie Seiteneinstieg und flexiblere Ausbildungswege müssen weiter gestärkt werden.

Die Chancen der Digitalisierung an Berufskollegs stärker nutzen: Digitale Angebote sollten unterstützend eingebunden werden. Sie helfen beispielsweise, größere Distanzen zu überwinden und die Beschulung in „kleinen“ Berufen auch zukünftig im Land sicherzustellen. Darüber hinaus unterstützen sie, wenn Ressourcen in speziellen Fachgebieten besonders knapp sind oder die Mobilität von Auszubildenden eingeschränkt ist. 

Auf gute Zusammenarbeit kommt es an!

Ausbildung steht vor zahlreichen Herausforderungen, hat aber schon oft genug bewiesen, dass sie Schwierigkeiten meistern kann. Damit dies gelingt, dafür ist eines ganz wichtig: die konstruktive Zusammenarbeit der verschiedenen Partner. Die Ausbildungspartner sind nicht immer und überall einer Meinung. Aber sie eint doch einiges: Die große Bedeutung, die Ausbildung für sie hat, das große Engagement, mit dem sie sich diesem Thema widmen, und auch das Verständnis für die Anliegen und Interessen der jeweils anderen Partner. Dies gilt für die Zusammenarbeit auf Landesebene in den vielen politischen Gremien und Initiativen. Dies gilt aber genauso vor Ort in der konkreten Zusammenarbeit. 

Die Wirtschaft in NRW ist für die Zusammenarbeit auf allen Ebenen ein verlässlicher und konstruktiver Partner – heute und auch in Zukunft!

 

Hinweis: Der Blog-Beitrag ist ein Auszug aus einem Beitrag von Timm Helten-Hildwein und Tanja Nackmayr, stellv. Hauptgeschäftsführerin unternehmer nrw, für eine geplante Jubiläumspublikation im WBV-Verlag.

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Timm Helten-Hildwein

Leiter Bildung- und Arbeitsmarktpolitik unternehmer nrw

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