Wenn in diesem Jahr die letzte Zeche im Ruhrgebiet schließt, ist das nicht nur ein Anlass, stolz auf 200 Jahre Industriegeschichte zurückzublicken. Wir haben auch allen Grund, zuversichtlich nach vorne zu schauen. Denn mit mehr als fünf Millionen Menschen, mit der Kompetenz für Veränderung und mit der dichtesten Hochschullandschaft in Europa hat das Ruhrgebiet das Potenzial, zur Metropolregion der Zukunft zu werden. Und dazu soll die Ruhr-Konferenz den entscheidenden Impuls geben.
Wer das Ruhrgebiet kennt, weiß, dass es nie stillgestanden hat. Als meine Mitschüler und ich 1961 in Essen von der Wahlkampfforderung Willy Brandts hörten, der Himmel über der Ruhr müsse wieder blau werden, haben wir das schlicht für unmöglich gehalten. Zumindest klang es für uns ähnlich utopisch wie die Aussage von US-Präsident John F. Kennedy, der im selben Jahr die Landung von Menschen auf dem Mond ankündigte.
Inzwischen haben wir nicht nur diverse Mondlandungen live am Fernseher verfolgt, wir genießen auch wie selbstverständlich den blauen Himmel von Duisburg bis Dortmund – und die grüne Landschaft von der Ruhr bis zu Emscher und Lippe. Es gibt Pläne, die utopisch klingen mögen und die doch Wirklichkeit werden, wenn man sie mit der nötigen Entschlossenheit angeht.
Genau das tut die Landesregierung. In der jungen Bundesrepublik war das Ruhrgebiet Motor für Wachstum und Innovation, und genau diese Rolle kann die Metropolregion Ruhr in der digitalen Ära wiedererlangen. Das ist die Leitidee der Ruhr-Konferenz, und sie ist alles andere als utopisch, sondern gut begründet.
Das liegt zum einen an dem, was schon vor Jahrzehnten eingeleitet wurde und auf das wir jetzt bauen können. Noch einmal 1961: Damals trieb der nordrhein-westfälische Landtag den preußischen Ungeist aus, wonach es in der Heimat der Proleten keine Hochschulen geben dürfe, und beschloss die Gründung der Ruhr-Universität Bochum. Das war, wie wir heute wissen, erst der Anfang. Mittlerweile studieren 280.000 junge Menschen an 22 Hochschulen in der Metropolregion Ruhr.
Diese Entwicklung, die hier von weitsichtigen Menschen schon vor einem halben Jahrhundert gestartet wurde, ist so erfolgreich, dass sie jetzt zur Basis für die Zukunft der Metropolregion Ruhr werden kann.
Zur Industriegesellschaft ist die Wissensgesellschaft hinzugekommen. Das bedeutet nicht das Ende der industriellen Fertigung, im Gegenteil. Aber neue Produkte und neue Methoden der Fertigung können dank dieser neuen Wissensgesellschaft hier erfunden werden, in die Produktion gehen und zum Einsatz kommen.
Das wird aber nicht von selbst passieren. Vieles im Ruhrgebiet weist zwar schon in die richtige Richtung. Die Arbeitslosenquote liegt nun bereits seit mehreren Monaten – zum ersten Mal seit 1980 – wieder im einstelligen Bereich. Die Zahl der Ausbildungsplätze wächst weit über dem Durchschnitt. Der Tourismus boomt. Aber klar ist auch: Das Ruhrgebiet bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück.
"Die neue Ruhr-Konferenz ist eine Konferenz der Chancen, sie soll dafür sorgen, dass die Potenziale dieser Region genutzt werden."
Genau hier setzt die Ruhr-Konferenz an. Anders als die Vorgängerkonferenzen 1979 und 1988 findet sie nicht im Angesicht akuter Krisen statt. Die neue Ruhr-Konferenz ist eine Konferenz der Chancen, sie soll dafür sorgen, dass die Potenziale dieser Region genutzt werden.
Es gibt noch einen zweiten Unterschied: 1979 und 1988 waren es Konferenzen im engen Sinn des Wortes, zwei große Einzelveranstaltungen als Antwort auf akute Herausforderungen. Heute geht es aber um einen Entwicklungsprozess, und deshalb besteht die neue Ruhr-Konferenz aus vielen Veranstaltungen und vor allem aus der Mitwirkung vieler Menschen in einer Verantwortungsgemeinschaft.
Das Ziel der Ruhr-Konferenz ist, dass die Metropolregion Ruhr ihre Potenziale als starker Wissenschafts-, Gründungs- und Kulturstandort nutzt, damit neue Arbeitsplätze entstehen und Wettbewerbsfähigkeit wie auch Lebensqualität wachsen.
Als Metropolregion kann das Ruhrgebiet viel mehr sein als die Summe seiner Städte und Gemeinden. Auch die Hochschulen und Forschungsinstitute, die Kultureinrichtungen und Vereine können die Region mit gemeinsamen Projekten viel weiter voranbringen, als wenn sie lediglich einzeln agieren.
Genau diese Zusammenarbeit wird die Ruhr-Konferenz organisieren helfen. Dazu werden Themenforen aufgebaut, die den Ressorts der Landesregierung entsprechen, von Wirtschaft und Verkehr über Bildung und Integration bis zu Gesundheit und Kultur. An der Spitze dieser Themenforen stehen jeweils die zuständige Ministerin oder der Minister gemeinsam mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Kommunen, Verbänden und Gesellschaft.
Hier werden Projekte daraufhin abgeklopft, ob eine Zusammenarbeit über kommunale und institutionelle Grenzen hinweg einen Mehrwert erbringen kann. Dort, wo auch die Grenzen der Themenforen überschritten werden müssen, wird es Leitprojekte geben, zum Beispiel in den Bereichen Wirtschaft, Mobilität und Infrastruktur, Bildung sowie Sicherheit, und für diese Leitprojekte wird auch um Unterstützung bei Bund und EU geworben.
Das Gelingen dieses Prozesses ist angewiesen auf den größten Reichtum, den das Ruhrgebiet hat – seine Menschen. Diese Region hat sich mehrfach neu erfunden, und sie wird es wieder schaffen.