Vor der letzten Landtagswahl sprach selbst die „Heute-Show“ nach sieben Jahren Rot-Grün von „Nordrhein-Katastrophalen“. Es wurde ein Zeichentrick-Clip gezeigt, wie Investoren einen großen Bogen um unser Land machten. Der Ruf des Wirtschaftsstandorts war gefährdet. Wir lagen bei Arbeitsplätzen und Wachstum hinten. Die Bildungspolitik wurde durch Streit um Inklusion, G8/G9 und Unsinn wie „Schreiben nach Gehör“ ideologisch zermürbt. In der Migrationspolitik wurden gut integrierte Arbeitnehmer abgeschoben – der Attentäter Anis Amri aber nicht.
All das war Motivation für uns, mit der Regierungsübernahme der NRW-Koalition 2017 ein neues Kapitel aufzuschlagen. Mit der Entfesselungspolitik von Professor Andreas Pinkwart haben wir Rahmenbedingungen geschaffen, die die nordrhein-westfälische Wirtschaft zu einer echten Aufholjagd genutzt hat. Seit 2018 konnten wir die Wachstumslücke im Ländervergleich schließen und liegen nun knapp über dem Bundesdurchschnitt. Wir haben in Nordrhein-Westfalen den Job-Motor angeschmissen und 400.000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs ermöglicht. Das sind 400.000 Chancen auf ein gutes Leben. Zahlreiche Regelungen wurden vereinfacht und Prozesse beschleunigt. Für Gründerinnen und Gründer beispielsweise wurde der bürokratische Aufwand um 80 Prozent reduziert.
Unternehmen brauchen schnell faire Bedingungen
Diese Politik müssen wir gemeinsam fortsetzen. Darum haben wir aus Nordrhein-Westfalen massiv darauf gedrungen, dass sich dieser Entfesselungskurs auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wiederfindet. Insbesondere bei dem Ziel, die Dauer von Genehmigungsverfahren zu halbieren, haben wir uns durchgesetzt. Das muss jetzt zügig umgesetzt werden. Denn nur mit unbürokratischen Rahmenbedingungen können die zahlreichen innovationsfreudigen Unternehmen bei uns im Land auch große Transformationen wie den tiefgreifenden Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft erfolgreich meistern. NRW kann das. Unsere Unternehmen können das. Sie brauchen aber schnell faire Bedingungen. In der kürzlich aktualisierten Energieversorgungsstrategie haben wir konkrete Maßnahmen vorgelegt, um auch in den nächsten Jahren die Transformation weiter voranzutreiben.
Die Digitalisierung zu gestalten, ist eine weitere zentrale Aufgabe unserer Zeit. Auch sie bildet einen Schwerpunkt unserer Arbeit. Jüngst haben wir die Digitalstrategie fortgeschrieben, um den digitalen Transformationsprozess flächendeckend und nachhaltig voranzutreiben. Wir wollen damit eine noch höhere Qualitätsstufe bei der Digitalisierung erreichen. Kein anderes Bundesland hat aktuell mehr digitale Dienstleistungen anzubieten als Nordrhein-Westfalen. Darauf können wir stolz sein. Doch wir machen selbstverständlich weiter Tempo: Im Wirtschaftsserviceportal WSP.NRW sollen bis Ende dieses Jahres 350 Verwaltungsdienstleistungen verfügbar sein (aktuell sind es ca. 100). Auch das neue Familienportal.NRW wird sukzessive ausgebaut, mit weiteren Leistungen für Familien in allen Lebenslagen. Bereits 2025 erreichen wir die komplett digitale Verwaltung: ein weiterer Meilenstein für die Zukunft Nordrhein-Westfalens. Auch diesen Schwerpunkt konnten wir in die neue Bundesregierung übertragen und werden so spürbar mehr Dynamik für die Digitalisierung erreichen.
Die Digitalisierung zu gestalten, ist eine weitere zentrale Aufgabe unserer Zeit.
Aus meinen Unternehmensbesuchen vor Ort ist mir bewusst, wie sehr viele Unternehmen, gerade auch im Handwerk, der Fachkräftemangel bedrückt. Diese Herausforderung wird durch den demographischen Wandel in den nächsten Jahren noch erheblich größer. Aber die Landesregierung handelt auch hier und wirkt dem mit einer Qualifizierungsoffensive und einer Erhöhung der Erwerbsbeteiligung in unserem Land entgegen. Zudem werden wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern. Was durch die Corona-Krise in Vergessenheit geraten ist: Wir haben Kitas und Kindertagespflege völlig neu aufgestellt und investieren jedes Jahr 1,3 Milliarden zusätzlich (!) in unsere Jüngsten und sorgen für mehr Flexibilität. Das werden wir noch weiter ausbauen.
Klar ist aber: Nur mit der gezielten Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland können wir die Arbeitskräfte-Lücke vollständig schließen und unseren Wohlstand bewahren. Wir haben deshalb mit der neuen Zentralstelle Fachkräftezuwanderung in Bonn und Nachqualifizierungsprogrammen wie „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ für bereits eingereiste potentielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Einstieg geschafft, die Unternehmen passgenau und effizient mit den benötigten Arbeitskräften zu versorgen. Sie sind ein großer Erfolg. Deswegen werden wir diese Programme ausweiten und die Zentralstelle zu einer echten Serviceagentur zur Fachkräftegewinnung für unsere Wirtschaft weiterentwickeln.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen insgesamt Ordnung in der Migrations- und Integrationspolitik geschaffen: Straftäter und Gefährder werden konsequent abgeschoben. Menschen, die gut integriert sind oder sich integrieren und arbeiten wollen, bieten wir Chancen und Unterstützung. Leider wurde mein Engagement für eine moderne Einwanderungsgesellschaft in den letzten Jahren oft von der nun abgewählten Bundesregierung ausgebremst. Die alte Bundesregierung hinterließ Stillstand und Chaos in der Migrationspolitik. Sie schaffte es nicht, die viel zu hohe irreguläre Migration zu reduzieren und dringend benötigte Arbeitskräfte durch gesteuerte Zuwanderung zu gewinnen. Sie hat damit auch den Wirtschaftsstandort Deutschland geschwächt. Die neue Bundesregierung hat sich hingegen im Koalitionsvertrag, dessen Kapitel zu Migration und Integration ich federführend verhandeln durfte, auf einen neuen Aufbruch in der Migrations- und Integrationspolitik geeinigt. Deswegen erwarten wir jetzt endlich auch aus Berlin Rückenwind.
Der Fachkräftemangel droht zur echten Gefahr für den Aufschwung nach Corona zu werden.
Wir wollen gemeinsam mit dem Bund ein in sich stimmiges Einwanderungsrecht schaffen, um den Fachkräftemangel weiter zu reduzieren. Die Blue Card wollen wir im nationalen Recht auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem konkreten Jobangebot zu marktüblichen Konditionen ausweiten, auch für diejenigen aus nicht akademischen Berufen. Daneben werden wir mit einer Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems Arbeitskräften zur Jobsuche den gesteuerten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ermöglichen. Auf Bundesebene soll ein Sonderbevollmächtigter für Migrationsabkommen eingesetzt werden, die nicht nur eine bessere Zusammenarbeit bei der Rückkehr abgelehnter Asylsuchender, sondern auch den Ausbau von wirtschaftlicher Zusammenarbeit, gezielte Qualifizierungsmaßnahmen für den deutschen Arbeitsmarkt und Jobbörsen für unsere Unternehmen in den Partnerländern umfassen, um unseren Fachkräftebedarf branchenscharf zu decken. Dies ist eine große Chance für Nordrhein-Westfalen. Daneben werden wir auch die Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen weiter verbessern.
Wir werden unsere Einwanderungsgesellschaft fit machen für das 21. Jahrhundert, indem wir verstärkt aus der Vielfalt der Ideen und Talente der ganzen Welt schöpfen. Ich habe dabei die klare Erwartung an die neue Bundesregierung, hier schneller zu werden und das Migrationskapitel nicht auf die lange Bank zu schieben. Denn der Fachkräftemangel droht zur echten Gefahr für den Aufschwung nach Corona zu werden.
Wir wollen aber auch junge Talente fördern, die hier in Nordrhein-Westfalen aufwachsen. In Nordrhein-Westfalen haben wir mit den Talentschulen ein Modell entwickelt, mit dem wir an dutzenden, sozial besonders herausfordernden Standorten Schulen mit erheblichen zusätzlichen Ressourcen und Konzepten fördern. Denn wir wollen, dass jede und jeder die Chance zum Aufstieg bekommt. Dafür ist gute Bildung das zentrale Fundament. Diesen Ansatz werden wir in den nächsten Jahren genauso landesweit ausrollen wie das erfolgreiche Projekt der Talentscouts im Ruhrgebiet. Dabei wollen wir mit gezielter individueller Unterstützung Schülerinnen und Schüler zu Top-Leistungen motivieren. Top-Leistung darf dabei nicht allein als akademischer Werdegang missverstanden werden. Denn es ist unsere Aufgabe alle Talente zu fördern, auch in der beruflichen Bildung. Und es muss wieder verstärkt möglich sein, mit einem mittleren Bildungsabschluss verantwortungsvolle Berufe auszuüben. Stärken wir unsere Talente überall.