Ich empfinde, dass Wirtschaftspolitik seit der ersten Merkel-Regierung 2005 kein Schwerpunkt der Regierungsarbeit mehr war und auch kein verlässliches Konzept verfolgt wurde - einmal abgesehen von einer gescheiterten Energiepolitik, deren Scherben nun vor uns liegen. In den 20 Jahren nach Wolfgang Clement hatte Deutschland acht weitere Wirtschaftsminister aus fünf verschiedenen Parteien. Kein Wunder, dass die Wirtschaft keinen belastbaren Rahmen mehr vorfindet. Der letzte Kanzler, der Wirtschaft als Chefsache betrachtete, war Gerhard Schröder. Unter Bundeskanzler Scholz ist die Entfremdung dagegen auf dem Höhepunkt angekommen. „Die Klage ist des Kaufmanns Lied“ war seine Antwort auf die Notlage der Unternehmen, die schon seit Jahren erkennbar ist.
Ein industriepolitisches Leitbild, das Orientierung gibt
Daher wünsche ich mir einen Bundeskanzler und einen Wirtschaftsminister oder eine Wirtschaftsministerin, die mit ihrem bisherigen Lebenslauf die Kompetenz mitbringen, wirtschaftlich in Zusammenhängen zu denken. Statt unkoordinierter Einzelmaßnahmen brauchen wir ein industriepolitisches Leitbild, das Orientierung gibt. Eines, das auf den Stärken unserer Wirtschaft aufbaut, statt diese leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Eines, das die Unternehmen als Verbündete ansieht und nicht als Verdächtige. Eines, das auf Wachstum unserer Volkswirtschaft abzielt und nicht auf dessen Eingrenzung. Eines, das Innovation als Chance begreift und nicht als Risikofaktor. Und eines, das nicht stärker in die unternehmerische Handlungsfreiheit und Kreativität eingreift als unbedingt nötig.