Die Bundestagswahl ist vorüber. Wir blicken gemeinsam mit dem designierten neuen Bundeskanzler Friedrich Merz auf ein Land mit Problemen. Wieder einmal werden wir „der kranke Mann Europas“ genannt. Wir staunen über eine Lage, in der Deutschland wirtschaftlich nicht aus dem Jammertal herauszukommen scheint und die Wirtschaftsleistung schrumpft. Die geopolitische Lage wirkt bedrohlich, bei innovativen Technologien, wie der Künstlichen Intelligenz, scheinen wir zurückzufallen. Unser alter amerikanischer Freund und Partner scheint die Freundschaft nicht mehr wertzuschätzen und fokussiert seine eigene Macht und deren Ausbau – auch gegenüber uns. Last but not least gefallen sich viele darin, Kulturkämpfe zu führen, die den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährden. Das sind keine guten Aussichten auf Verbesserung unserer Lage und, wie wir wissen, macht die Stimmung ja die halbe Miete.
Wir brauchen also eine „Zeitenwende“ – und zwar eine, die nicht nur als Worthülse endet. Eine Zeitenwende, die niemand bemerkt, kann wohl auch keine sein. Diese Bundestagswahl und das folgende Austarieren der großen Themen unserer Wirtschaft und Gesellschaft, das Unterfüttern mit Maßnahmen, kann diese Zeitenwende bewirken.
Unverzüglich konkrete Maßnahmen, um wieder Führungsrolle in Europa anzunehmen
Dafür kann man Wünsche haben – und die habe ich als Verantwortlicher einer mittelständischen Unternehmensgruppe, die in über 50 Ländern vor Ort aktiv ist. Dabei sehe ich, dass das alte „Made in Germany“ seine Bedeutung verliert und wir uns mit neuen Wettbewerbern und alter Machtpolitik auseinandersetzen müssen. Dazu brauchen wir Eigeninitiative, aber auch Unterstützung durch gute Rahmenbedingungen und eine vorzeigbare wirtschaftliche Entwicklung, die unseren Partnern weltweit zeigt: auf die Deutschen (und die Europäer) muss man achten, die bringen uns voran. Da erwarte ich von der kommenden Bundesregierung, dass sie unverzüglich konkrete Maßnahmen ergreift, um wieder eine Führungsrolle in Europa anzunehmen und diese zur Stärkung Europas in dieser neuen Welt einsetzt. Dazu bietet der Draghi-Report die wirtschaftliche Begründung und nennt die Maßnahmen, die Deutschland und Europa nach vorne bringen können. Wir wissen doch, dass Deutschland (und Europa) keine militärischen Machtfaktoren sind und nur eine starke Wirtschaft – und ein attraktiver Markt – uns Einfluss in dieser Welt erhalten. Die neue Bundesregierung entscheidet mit ihrem Verhalten darüber, ob wir unseren Weg gehen oder zu Abhängigen fremder Mächte werden.
Drei zentrale Gedanken an eine neue Bundesregierung
Dazu müssen wir den Weg des geringsten Widerstands beenden, Position für die Stärkung unserer Wirtschaft beziehen und uns damit in dieser neuen Welt stark machen. Es braucht den Mut, dafür zu streiten – im Inneren wie im Äußeren. Dazu drei zentrale Gedanken:
- Die neue Bundesregierung muss die Wirtschaftspolitik entideologisieren, pragmatisch sein, Nutzen und Wohlstand mehren. Denn „Wirtschaft“ sind wir alle: Arbeitgeber, Beschäftigte und Selbstständige. Wenn wir wieder positiv auf unsere Lage und unsere Zukunft blicken, dann nimmt das das ganze Land mit.
- Solch eine Zeitenwende nimmt den Bürokratie- und Regelungswahn raus. Dieser speist sich derzeit einzig und allein aus Misstrauen gegenüber der Wirtschaft. Misstrauen gegenüber uns allen. Das geht bei der Ausgestaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes los, setzt sich über die derzeitige Regelungs- und Genehmigungswut in privaten und öffentlichen Bauprojekten fort und endet mit der Einmischung in die Tarifautonomie beim Thema Mindestlohn.
- Eine Zeitenwende sollte auch in unser aller Anspruchsdenken gegenüber dem Staat und seinen Möglichkeiten erfolgen. Die neue Bundesregierung sollte uns allen vermitteln, was wir denn selber beitragen können, um unsere wirtschaftliche Lage zu bessern und alte Stärke zurückzugewinnen: Mehr arbeiten, das Streichen von Feiertagen (wie einstmals des Buß- und Bettages) oder die Einführung eines Karenztages bei der Lohnfortzahlung scheinen Relikte aus einer versunkenen Zeit, könnten aber immer noch helfen, unsere Kostenposition zu verbessern und Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. Jedenfalls sind sie kein „Gottseibeiuns“. Denn was hilft uns die theoretisch gesetzlich gewährleistete freie Zeit, wenn dadurch unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit torpediert wird und dadurch Arbeitsplätze zerstört werden.
Sind diese Wünsche an eine neue Bundesregierung nur ein Traum? Wenn wir in unseren üblichen Schablonen denken, dann ist das wohl so. Wenn eine neue Bundesregierung unser Land, unseren Kontinent, wieder stark machen will, dann muss sie aber Schritte unternehmen, die allen zeigen: der Geist der Veränderung ist da. Also: verlassen wir gemeinsam die ausgetretenen Pfade mit dem nötigen Spirit für eine stärkere, bessere Zukunft. Und diese Zukunft beginnt mit dem ersten Schritt.