Im Juli 2023 trat das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft. Es verpflichtet Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten und fast alle Unternehmen des Finanzsektors, ein internes Hinweisgebersystem einzurichten. Hiermit wurde die Whistleblower-Richtlinie der EU umgesetzt. Die Chance, für dieses Thema rechtlich klare und bürokratiearme Regelungen zu schaffen, wurde jedoch verpasst. Stattdessen wurden die Vorgaben der Richtlinie überschritten und weitere bürokratische Hürden für die Unternehmen geschaffen.
- Enormer Aufwand für Unternehmen: Zwar wurde der Gesetzentwurf im Vermittlungsausschuss etwas entschärft, für die Unternehmen bleibt der Umsetzungsaufwand jedoch nach wie vor erheblich. Dies belegen die ersten praktischen Erfahrungswerte.
- Gefahr des Missbrauchs des Gesetzes: Unternehmen haben selbst Interesse, Missstände aufzudecken und abzustellen. Aufgrund des im Gesetz geregelten Verbots von „Repressalien“ und der Beweislastumkehr zugunsten der Hinweisgeber besteht allerdings die Gefahr, dass Beschäftigte das Hinweisgeben auch missbräuchlich einsetzen, etwa um eine berechtigte Kündigung zu verhindern.
- Einige Regelungen gehen über die EU-Richtlinie hinaus: Unternehmen, die gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle verstoßen, sollen mit einer Geldstrafe belegt werden. Für diese Regelung bestand keine Veranlassung, denn eine solche Sanktionierung ist auch in der EU-Whistleblower-Richtlinie nicht vorgesehen. Auch für die Ausweitung der meldefähigen Verstöße über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus besteht angesichts der gut austarierten deutschen Rechtsprechung wahrlich kein Anlass.
- Das Gesetz ist rechtlich unklar: Das Hinweisgeberschutzgesetz erfasst als meldefähigen Verstoß auch Verhalten, welches dem Zweck eines Gesetzes zuwiderläuft, dieses jedoch nicht verletzt. Die Meldung von Verhalten, welches nicht gegen Gesetze verstößt, ist missbrauchsanfällig und rechtlich unklar. Damit schafft der Gesetzgeber eine Grauzone, die Raum für eine Menge Konfliktstoff in den Betrieben lässt.
Fazit: Das neue Hinweisgeberschutzgesetz bringt erneut mehr bürokratischen Aufwand und Kosten - vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Zudem enthält es Regelungen, die über die EU-Whistleblower-Richtlinie hinausgehen. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr ein Belastungsmoratorium für die Wirtschaft angekündigt – das neue Hinweisgeberschutzgesetz läuft diesem Versprechen eindeutig zuwider.
Der Standpunkt zum Download