Standort Deutschland: Massives Wettbewerbsfähigkeitsproblem
Kirchhoff fordert sofortigen wirtschaftspolitischen Kurswechsel
NRW: Landesregierung problembewusst, muss aber auch selbst mehr tun, um Land nach vorn zu bringen
Die nordrhein-westfälischen Unternehmer haben die Europawahl 2024 als „eine der wichtigsten Wahlen seit Bestehen der Europäischen Union“ bezeichnet. Sie dürfe auf keinen Fall zu einer destruktiven Protestwahl werden. „Den rechtsextremen Parteien in Europa geht es nicht darum, Europa besser zu machen. Sie wollen es zerstören“, sagte der Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen (unternehmer nrw), Arndt G. Kirchhoff, am Aschermittwoch vor Journalisten in Düsseldorf. Für Deutschland wäre ein Dexit ein Himmelfahrtskommando, „das unser Land völlig ruinieren würde“. Europa stehe aber nicht nur von innen, sondern angesichts der geopolitischen Herausforderungen auch von außen unter Druck. Es komme jetzt entscheidend auf eine geeinte und handlungsfähige Europäische Union an.
Europa befinde sich mehr denn je in einem außerordentlich harten globalen Standortwettbewerb, in dem es aber noch alle Chancen habe, erfolgreich zu bestehen. „Wenn die USA mit 100 Millionen Menschen weniger eine fast doppelt so hohe Wirtschaftsleistung wie die EU erzielen, wird das enorme Potenzial Europas deutlich“, betonte Kirchhoff. Dafür müsse Europa aber seine internationale Rolle deutlich stärken. Dazu gehöre der Abschluss von Freihandelsabkommen mit den USA, den Mercosur-Staaten und vielen anderen in der Welt. „Vor allem darf sich Europa nicht mit seiner häufig politisch völlig überfrachteten Handelspolitik gegenüber dem Rest der Welt selbst abschotten“, erklärte Kirchhoff. Für den Mittelstand forderte er den dringend notwendigen Abbau bürokratischer Belastungen. Die EU-Lieferkettenrichtlinie sei ein Beispiel dafür, wie Politik die Folgen von Regulierung gerade für mittelständische Betriebe völlig unterschätze. „Ich hoffe sehr, dass sie am Ende scheitert“, so Kirchhoff.
Wirtschaftspolitischer Kurswechsel in Deutschland notwendig
Der Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland verliert nach Worten des NRW-Unternehmerpräsidenten in seinen Kernbereichen massiv an Wettbewerbsfähigkeit. Die wirtschaftliche Lage werde immer ernster. Sowohl die Zahl der Insolvenzen als auch der Meldungen über Betriebsschließungen und Verlagerungen nehme kontinuierlich zu. Die Stimmung in den Unternehmen verschlechtere sich zusehends. Das Land benötige dringend einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel, um eine neue Dynamik für Investitionen und Arbeitsplätze zu entfachen. „Es wird höchste Zeit, dass sich diese Bundesregierung endlich zusammenreißt“, forderte Kirchhoff. Er erwarte, dass sie ihren diversen Ankündigungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland endlich Taten folgen ließe. Die Wirtschaft benötige nun in der Breite massive Entlastungen. „Das erwarten jetzt auch unsere Unternehmen.“
Der NRW-Unternehmerpräsident forderte die Bundesregierung auf, endlich die Kardinalfrage für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland zu lösen. „Wir brauchen dauerhaft eine sichere und bezahlbare Energieversorgung“, betonte Kirchhoff. Das Strompreispaket aus dem letzten Herbst sei für den energieintensiven Mittelstand völlig ungenügend, zudem blieben auch nach den Ankündigungen zur Kraftwerksstrategie weiterhin zentrale Fragen zur Energieversorgung der Zukunft unbeantwortet. „Diese anhaltende Ungewissheit wird inzwischen ein Gamechanger zu Lasten Deutschlands für all die Unternehmen, die jetzt ihre Investitionsentscheidungen treffen müssen“, so Kirchhoff.
Land muss Beitrag leisten, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen
Dringender Handlungsbedarf bestehe auch in der Steuerpolitik. „Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags hätte enorme Signalwirkung gerade auch für kleinere Betriebe“, sagte Kirchhoff. Den Vorstoß des Bundesfinanzministers begrüße er deshalb ausdrücklich. Allerdings sei Deutschland auch dann noch um etliche Prozentpunkte von einem international wettbewerbsfähigen Steuerniveau entfernt. Daher sei eine generelle Senkung der Körperschaftsteuer erforderlich.
Der NRW-Landesregierung bescheinigte Kirchhoff mit Blick auf die Wirtschaftslage eine deutlich problembewusstere Politik. Gleichwohl müsse auch sie mehr tun, um etwa die bestehenden Landeshürden bei Planungs- und Genehmigungsverfahren abzubauen. Dies hätten die NRW-Unternehmensverbände immer wieder angemahnt und dazu auch konkrete Vorschläge gemacht. Hier müsse die Landesregierung einen deutlichen Schritt nach vorn machen und zügig eigene substanzielle Maßnahmen ergreifen. Neuen Schwung benötige das Land auch in der Verkehrspolitik. „Die Aufbruchstimmung der letzten Legislaturperiode ist hier verlorengegangen“, sagte Kirchhoff. Bei den Unternehmern festige sich der Eindruck, dass die Landesregierung beim Thema Verkehrsinfrastruktur nicht genug Zug zum Tor habe. Er habe die Sorge, dass sich der Slogan ‚Erhalt vor Ausbau‘ mehr und mehr zu einem Synonym für eine lethargische Verkehrsinfrastrukturpolitik zu entwickeln drohe.
Hier geht‘s zum wirtschaftspolitischen Papier zur Europawahl 2024:
Starkes Europa - Starke Wirtschaft / Starke Wirtschaft - Starkes Europa