Die Corona-Krise liefert uns zwei wichtige Erkenntnisse: Einerseits die beruhigende Gewissheit, dass unser Staat stark genug ist, für eine Überbrückungszeit die ökonomischen Lebensgrundlagen unseres Landes zu erhalten. Andererseits den Beleg, dass selbst für unsere starke Volkswirtschaft die Luft schnell dünn wird, wenn die Wirtschaft nicht läuft, die Ausgaben des Staates durch die Decke schießen und gleichzeitig die Einnahmen in den Keller stürzen.
Nach zehn Jahren Aufschwung haben manche vieles als selbstverständlich angesehen: die wachsende Schar von Beschäftigten, immer größere Zahlen auf den Gehaltsabrechnungen und gut gefüllte Staatskassen. Aber jetzt erleben wir schmerzlich, dass das Gegenteil von Wachstum eben Schrumpfung bedeutet – weniger Arbeit, sinkende Einkommen und weniger Steuern für den Staat.
Doch jede Krise bietet auch eine Chance. Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir erkennen, dass wir ein neues Grundempfinden für die Bedeutung der Wirtschaft für unser Land brauchen. Das tut Not, weil wir bereits vor der Rezession an Wettbewerbsfähigkeit verloren hatten. Zu teure Strompreise, zu hohe Unternehmenssteuern, steigende Sozialabgaben und zu viel Bürokratie gefährden unseren Wirtschaftsstandort. Umso mehr müssen wir jetzt das Fundament unseres Wohlstandes wieder stärken.
Das gilt besonders für die Energiepolitik: Kohle- und Atomkraftwerke gleichzeitig abzuschalten geht schnell. Zugleich aber deren Ersatz zu organisieren fällt einer führenden Industrienation wie Deutschland dann schwer, wenn nahezu jeder Converter, jede Stromtrasse und jedes Windrad blockiert werden. Für unsere Zukunft ist die Energiewende existenziell. Deutschland braucht einen Schulterschluss: Wer aussteigen möchte, der muss auch einsteigen wollen. Sonst verspielen wir unsere Zukunftsperspektiven.
Eine starke Industrie bleibt die zentrale Grundlage für Wertschöpfung, Wohlstand und die Finanzierung unseres umfangreichen Sozialstaates. In den wichtigen Debatten zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden jedoch bei NGO’s und leider auch in Teilen der Politik diese volkswirtschaftlichen Zusammenhänge weitgehend ignoriert. Vorbild für die Welt werden wir aber nur, wenn uns Energiewende, Mobilitätswende und Transformation ökonomisch gelingen.
Wir verdanken es der wirtschaftlichen Stärke und der soliden Haushaltspolitik der vergangenen Jahre, dass unser Staat in dieser Krise seine Leistungs- und Handlungsfähigkeit zeigen kann. Innovative und wettbewerbsfähige Unternehmen sind die Voraussetzung für Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Wohlstand. Deshalb können die massiven Eingriffe in die Wirtschaft nur befristet sein. Und uns muss klar sein, dass dies auch für die Hilfen für die Wirtschaft gilt.
Private Eigeninitiative, Selbstverantwortung und Haftung für unternehmerisches Handeln sind das Fundament unserer Sozialen Marktwirtschaft. Darauf muss in der „Nach-Corona-Zeit“ wieder mehr gebaut werden. Hüten wir uns vor einer neuen Staatsgläubigkeit. Noch nie war der Staat der bessere Unternehmer.
Quelle: Rheinische Post - 25.08.2020