Prof. Dr. Hans Jörg Hennecke:
„Der Gesetzentwurf schadet dem ohnehin bedrängten Wirtschaftsstandort NRW, weil er die Standortbedingungen der Unternehmen nicht verbessern, sondern den Kommunen mehr Freiraum bei der Ausschöpfung ihrer Steuerquellen gewähren will. Genau das Gegenteil wäre aber notwendig, um Arbeitsplätze im Land zu sichern.
Besonders nachteilig wird die Reform für die vielen Mittelständler wirken, die gemischt genutzte Grundstücke besitzen. Denn diese unterliegen künftig dem höheren Hebesatz, obwohl das Grundstück auch für Wohnzwecke genutzt wird.
Es ist sehr irritierend, dass ein solcher Gesetzentwurf, der offenkundig mittelstandsrelevant ist, nicht über die Landesregierung, sondern über die Fraktionen eingebracht wurde. Damit wurde die Clearingstelle des Mittelstandsbeirates gezielt übergangen. Das zeigt einen bedauerlichen Mangel an Respekt für die Arbeit dieser Institution. So kann man Standortpolitik nicht betreiben.
Es greift viel zu kurz, wenn man bei den Wirkungen der Grundsteuerreform nur darauf achtet, dass bei der erstmaligen Festsetzung eine Aufkommensneutralität erreicht wird. Die Grundsatzentscheidung für ein wertbezogenes Besteuerungsmodell führt zwangsläufig im Laufe der Jahre zu steigender Steuerbelastung. Vor allem Unternehmen in zentralen Lagen stehen vor einer massiven Mehrbelastung. So produziert man Leerstände in den Fußgängerzonen und in den Hinterhöfen unserer Städte.
Die Landesregierung befindet sich mit der wertbezogenen Grundsteuerreform auf einem Holzweg und verheddert sich immer tiefer im Bürokratiegestrüpp. Sie sollte den Mut haben für eine grundsätzliche Kurskorrektur, dem Beispiel anderer Bundesländer folgen und sich für ein einfaches, rechtssicheres Flächenmodell entscheiden.“
Johannes Pöttering:
„Der schwarz-grüne Gesetzentwurf zur Grundsteuer ist sowohl systematisch als auch ordnungspolitisch extrem fragwürdig. Das Ziel, die negativen Effekte der Bundesregelung auf die Kosten des Wohnens zu begrenzen, ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar. Das nun eingeleitete Hau-Ruck-Verfahren der Regierungsfraktionen wird der Komplexität des Gesamtthemas jedoch in keiner Weise gerecht.
Durch die im Bundesländervergleich extrem hohen Gewerbesteuersätze ist die Wettbewerbsposition des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen ohnehin schon stark beeinträchtigt. Mit der nun vorgelegten Änderung der Grundsteuer wird darüber hinaus nun durch die Hintertür auch noch einer verkappten ertragsunabhängigen "Gewerbesteuer 2" der Weg bereitet. Eine Maßnahme mit derartiger Tragweite und dem damit verbundenen Sonderweg für die Unternehmen in NRW darf nicht übers Knie gebrochen werden.
Überdies drohen immer mehr Kommunen in die Haushaltssicherung zu rutschen. Wir warnen daher davor, dass die Kommunen in ihrer Not an der neuen Steuerschraube drehen und die Unternehmen einseitig zusätzlich belasten. Hier droht vielerorts nahezu erzwungenermaßen ein durch die Landesregelung verursachtes, zusätzliches gegeneinander Ausspielen von Bürgerinnen und Bürgern und Wirtschaftsunternehmen. Ich unterstelle hier zwar keine Absicht. Aber zumindest ist das Ganze absolut nicht zu Ende gedacht. Völlig schief und nahezu grotesk ist der Ansatz, potenzielle Absenkungen der Steuersätze für Industrie und Gewerbe vor Ort explizit zu begrenzen, während etwaige Erhöhungen keinerlei Grenzen unterliegen sollen.“
Rheinische Post vom 18.5.2024: https://rp-online.de/nrw/landespolitik/grundsteuer-nrw-wirtschaft-schiesst-gegen-schwarz-gruene-plaene_aid-112865691