Die wirtschaftliche Lage in unserem Land wird immer ernster. Alle Umfragen in den Unternehmen sind Ausdruck eines tiefen und um sich greifenden Pessimismus. Unsere industrielle Basis bröckelt. Unsere Wertschöpfungsketten sind in Gefahr. Der Wirtschaftsstandort Deutschland hat in seinen Kernbereichen deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Unternehmen investieren hierzulande – wenn überhaupt – fast nur noch in die Erhaltung, aber nicht mehr in die langfristige Erneuerung. Die Zahl der Insolvenzen und Geschäftsaufgaben nimmt deutlich zu.
Deutschland ist wahrlich nicht in bester Verfassung. Jahrelang wurde viel zu wenig in die Zukunft unseres Landes investiert. Während der Sozialstaat kontinuierlich ausgebaut wurde, hat die Politik bei der vorsorgenden Instandhaltung massiv gespart. Schienen, Straßen, Autobahnen, Brücken, Wasserwege, dazu Schulen und andere öffentliche Einrichtungen sind immer öfter in einem besorgniserregenden Zustand. Für ein so reiches Land wie Deutschland ist dieser Befund ein Desaster.
Für Frustration sorgt außerdem, dass die überbordende Bürokratie an vielen Stellen nicht nur zu schlechteren Dienstleistungen des Staates für die Bürger führt, sondern die Entwicklung in unserem Land insgesamt lähmt. Die Digitalisierung des Staates wird weiter verschlafen.
Regierung ohne Strategie
Wir erleben eine Regierung ohne Strategie. Wo sind die konkreten Konzepte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit? Wo sind die dringend notwendigen Maßnahmen zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung? Und wo sind die belastbaren Weichenstellungen zur Bewältigung der Transformation?
Hinzu kommt aktuell ein erheblicher Vertrauensverlust der Politik, wenn urplötzlich Rahmenbedingungen für Unternehmen und Bürger auf den Kopf gestellt werden, die schon längst Basis für die Kalkulation des Jahres waren. Dass die Massenproteste der Landwirte nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in großen Teilen der Wirtschaft durchaus Sympathie hervorrufen, muss für die Politik ein absolutes Warnsignal sein. Die Stimmung auch im Unternehmerlager wird zunehmend ungehaltener.
Gewiss, die außenpolitischen Krisen dieser Zeit sind so groß wie selten zuvor. Doch gerade deshalb muss die Politik jetzt eines endlich verstehen: Ohne eine starke und wettbewerbsfähige Wirtschaft wird Deutschland auch die wachsenden sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht meistern können. Auch deshalb muss die Wirtschaftspolitik des „Durchlavierens“ der letzten Jahre endlich ein Ende haben. Was uns nicht weiterhilft sind Formelkompromisse, die in erster Linie ideologische Denkschulen bedienen. Wenn die Politik hier nicht das Ruder herumreißt, werden uns die Wahlergebnisse dieses Jahres ein böses Erwachen bescheren.
"Öffentliche Investitionen sollten über ein Sondervermögen finanziert werden."
Wirtschaft und Arbeit müssen jetzt klare Vorfahrt erhalten, sonst ist unser Wohlstand massiv gefährdet. Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes muss nun im Mittelpunkt stehen. Das ist die unabdingbare Grundlage für einen wehrhaften Staat, einen leistungsfähigen Sozialstaat, das Gelingen der digitalen und nachhaltigen Transformation und die Zukunftssicherung von Millionen von Arbeitsplätzen.
Unser Staat leidet übrigens nicht an einem Einnahmeproblem. Es mangelt vielmehr auch bei den öffentlichen Finanzen an einer klaren Prioritätensetzung und konsequenten Weichenstellungen für unsere Zukunftsfähigkeit. Auch deshalb sollte an der Schuldenbremse nicht gerüttelt werden. Ja, unser Land braucht massive Investitionen in die innere und äußere Sicherheit, die Infrastruktur sowie die digitale und nachhaltige Transformation. Sie ließen sich aber über ein Sondervermögen abdecken, das eng an eine Haushaltskonsolidierung gekoppelt sein müsste.
Unser Land braucht eine Politik, die Unternehmertum nicht mit Misstrauen und Argwohn begegnet, sondern ihm Wertschätzung und eine Kultur des Willkommens entgegenbringt. Der vielerorts spürbaren politischen Leitlinie des Gängelns, des Bevormundens, des Behinderns und des Belastens der Unternehmen muss ein Ende gesetzt werden. Wenn wir stattdessen dem Pionier- und Erfindergeist unseres Landes wieder stärker Raum geben, wird das große Kräfte freisetzen, neue Zuversicht entfachen und sich auch in arbeitsplatzschaffenden Investitionen niederschlagen.
"Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, eher mehr und auf die Lebensarbeitszeit bezogen auch länger zu arbeiten."
Und unser Land braucht endlich eine Agenda für die Fleißigen. Nicht immer mehr staatliche Leistungen, sondern mehr Netto vom Brutto für die Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit ihrer Hände Arbeit den deutschen Sozialstaat tragen und erst möglich machen. Das ist nicht nur eine Frage der Attraktivität von Arbeit und Leistung, sondern auch der gesellschaftlichen Fairness und des Zusammenhalts.
Wir brauchen ein neues Bewusstsein für den Wert von Arbeit. Ein Bürgergeld, das für viele Menschen das tägliche Aufstehen, um zur Arbeit zu gehen, unattraktiv macht, ist ein fatales Signal. Es ist eine gefährliche Illusion zu glauben, dass Wohlstand ohne Anstrengung und Leistung möglich ist. Auch die gesellschaftspolitische Debatte über eine Verkürzung der Arbeitszeit ist völlig grotesk. Wir werden uns vielmehr an den Gedanken gewöhnen müssen, eher mehr und auf die Lebensarbeitszeit bezogen auch länger zu arbeiten.
Der Gastbeitrag des Präsidenten von unternehmer nrw ist am 26. Januar 2024 auf online im Tagesspiegel erschienen: