Die nordrhein-westfälischen Unternehmensverbände haben die Kreise und Gemeinden des Landes aufgefordert, dem Thema Wirtschaft deutlich mehr Bedeutung beizumessen. Standort-Entscheidungen der Unternehmen für Investitionen in neue Arbeitsplätze hingen ganz wesentlich von der Attraktivität des unmittelbaren wirtschaftlichen Umfeldes vor Ort ab. Den Ausschlag hierfür gäben oft die Höhe der Grund- und Gewerbesteuern, die Ausgestaltung der kommunalen Flächenpolitik oder das Verständnis für Wirtschaft in der Verwaltung. Der Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen (unternehmer nrw), Arndt G. Kirchhoff, erklärte am Aschermittwoch in Düsseldorf, in den Rat- und Kreishäusern des Landes müsse dringend die Wirtschaftskompetenz politikfeldübergreifend gestärkt werden. „Es ist ein schwerer Fehler, wenn in Räten und Verwaltungen der Gemeinden Wirtschaftspolitik ‚nur nebenbei‘ erledigt wird“, sagte er.
Nach Worten des NRW-Unternehmerpräsidenten müsse in den Kreisen und Gemeinden eine aktivere Standortpolitik mit Anreizen für Erweiterungsinvestitionen und Neuansiedlungen betrieben werden. Bei der Vorlage eines wirtschaftspolitischen Papiers der Landesvereinigung zur Kommunalwahl 2020 in Nordrhein-Westfalen forderte Kirchhoff, Gemeinden müssten erheblich mehr fertig geplante und erschlossene Gewerbe- und Industriegebiete anbieten. „Hier haben wir in NRW extreme Engpässe.“
Als „massiven Nachteil im innerdeutschen Standortwettbewerb“ bezeichnete Kirchhoff die in NRW mit Abstand höchsten Grund- und Gewerbesteuersätze aller deutschen Flächenländer. „Unser Land braucht dringend einen durchgreifenden Steuersenkungspakt“, betonte Kirchhoff. Nötig sei eine kluge Mischung von Anreizen und Vorgaben, die zu einer flächendeckenden Senkung der Steuerhebesätze führe. Die Kommunen stünden aber auch selbst in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. „Steuererhöhungen mögen kurzfristig bequem sein, aber mittel- und langfristig schaden sie dem Wirtschaftsstandort erheblich“, erklärte Kirchhoff.
Mit Blick auf die Bundespolitik forderte Kirchhoff die Parteien auf, mit einem klaren politischen Kompass entschlossen Führung zu zeigen und vor allem überzeugende Zukunftskonzepte vorzulegen. Stattdessen beschäftige sich der Berliner Politikbetrieb seit Wochen fast nur noch mit sich selbst. Dabei stehe die deutsche Wirtschaft vor immensen Herausforderungen. „Ich vermisse die Stimmen, die die Grundlagen unserer Industriegesellschaft und deren Bedeutung für unseren Wohlstand verteidigen“, sagte Kirchhoff.
Es fehle weiterhin an wirtschaftspolitischem Problembewusstsein in Deutschland. Staatlichem Dirigismus werde mehr vertraut als der Sozialen Marktwirtschaft. Das Verteilen werde vor das Erwirtschaften gestellt. Die hierzulande ohnehin schon weltweit höchsten Energiepreise stiegen immer weiter und verhinderten massiv Investitionen. Im internationalen Steuerwettbewerb gerate Deutschland immer mehr ins Hintertreffen. „Und die hysterische Klima- und Umweltdebatte macht mich inzwischen fassungslos“, betonte Kirchhoff. Gegen nahezu jedes Windrad, gegen jede Stromleitung und gegen jedes zukunftsweisende industrielle Großprojekt gründeten sich inzwischen Bürgerinitiativen. „Unser Land verbietet sich es gerade selbst, sich zukunftsfest aufzustellen“, kritisierte er. Der NRW-Unternehmerpräsident forderte die Politik auf, Lähmung und Stillstand zu beenden und endlich klare Weichenstellungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen vorzunehmen. Leider fehle es hier parteiübergreifend an wirklichen Impulsen.
Vor diesem Hintergrund wirke Nordrhein-Westfalen und die Landesregierung unter der Führung von Ministerpräsident Armin Laschet wie ein Hort der Stabilität. „Lasst Euch bloß nicht von Berlin anstecken“, forderte Kirchhoff die Landesregierung auf. Ungeachtet der Personaldebatten in Berlin dürften jetzt aber wichtige Projekte in Nordrhein-Westfalen nicht liegen bleiben. Weder die Ruhrkonferenz noch der Strukturwandel im Rheinischen Revier noch die Entbürokratisierung im Umweltrecht duldeten Verschnaufpausen. Echte Zuversicht für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts NRW verspüre er jedoch angesichts der deutlichen Anstrengungen bei der Sanierung und dem Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur. Jeder im Land merke doch, dass hier jetzt erkennbar mehr getan werde als unter der alten Landesregierung. Kirchhoff forderte Wirtschaft und Bürger auf, sich angesichts der vielen baustellenbedingten Staus mehr in Geduld zu üben. „Die Versäumnisse von Jahrzehnten lassen sich nicht über Nacht beheben“, sagte Kirchhoff.