Herr Kirchhoff, sollen Unternehmen den Impfstatus ihrer Mitarbeiter abfragen dürfen?
Arndt Kirchhoff: Meine Haltung ist klar: Impfen ist freiwillig und eine individuelle Entscheidung. Wir wollen keinen Impfzwang. Aber wir haben auch die Aufgabe, unsere Unternehmen, Beschäftigten und Kunden zu schützen – und dafür muss man uns auch das Recht zugestehen, dass wir fragen: Sind unsere Mitarbeiter geimpft oder nicht?
Wie begründen Sie das?
Kirchhoff: Wir impfen selber mit großem Erfolg in unseren Betrieben und wollen, dass Ungeimpfte, die bei uns arbeiten, andere nicht infizieren. Der Gesundheitsschutz muss vor Datenschutz stehen. Wenn wir wissen, wer geimpft ist, können wir den Infektionsschutz im Unternehmen erheblich besser gewährleisten.
Das Leben in Deutschland hat sich verteuert, die Inflationsrate liegt nun bei 3,9 Prozent und somit so hoch wie seit knapp 28 Jahren nicht. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Kirchhoff: Nein, ich blicke da eher entspannt in die Zukunft. Nach Krisen hat der Markt immer geruckelt. Das ist normal. Die Lage wird sich bis zum Jahresende beruhigen. Wir Unternehmen haben aktuell im Schnitt mehr Aufträge als wir abarbeiten können. Was die Preise angeht: Sie werden wieder sinken und die Inflation wird wieder unter 2 fallen.
Worauf führen Sie die derzeit hohe Inflationsrate zurück?
Kirchhoff: Die hohen Beschaffungspreise liegen vor allem am ersten Corona-Lockdown rund um Ostern vor einem Jahr. Da haben wir die Welt für drei Monate angehalten. Das hat dazu geführt, dass zum Beispiel die Stahl-Industrie Monate in Verzug gekommen ist, um wieder ausreichend Mengen liefern zu können. Und das wiederum hat zu einem Rohstoffmangel und im Welthandel zu einem großen Durcheinander in den Lieferketten geführt. Das darf auf keinen Fall noch mal passieren.
Grüne und SPD wollen den Mindestlohn erhöhen, auf mindestens 12 Euro. Fühlen Sie sich da unter Druck gesetzt?
Kirchhoff: Ich möchte, dass sich Politik überhaupt nicht in die Tarifautonomie einmischt. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sollen die Arbeitsbedingungen aushandeln. Vor drei Jahren wurde daher extra eine Mindestlohn-Kommission unter Mitwirkung der Sozialpartner gegründet, doch jetzt mischt sich die Politik schon wieder ein. Dafür habe ich kein Verständnis.
Was würde ein höherer Mindestlohn für die Wirtschaft bedeuten?
Kirchhoff: SPD und Grüne wollen 12, die Linke gar 13 Euro. Das hätte zur Folge, dass in Deutschland rund 300 Tarifverträge außer Kraft gesetzt würden. Das halte ich für ein Unding, zumal das unsere Basis für Wohlstand im Land nicht verbessert. Tarifpolitik ist Sache der Tarifpartner und nicht des Arbeitsministers in Berlin, der weit weg ist.
Aus wem soll die künftige Bundesregierung bestehen?
Kirchhoff: Rot-rot-grün wäre eine Katastrophe, dann geht es nur rückwärts im Land, und das wird Arbeitsplätze kosten. Wenn die FDP mit in der Regierung ist, zum Beispiel in einer Jamaika- oder Ampelkoalition, dann haben wir zumindest ein wirtschaftspolitisch orientiertes Korrektiv. Die FDP dürfte insgesamt eine wichtige Rolle spielen.
Haben Sie Sorge, dass die Grünen die Industrie zu stark umkrempeln könnten?
Kirchhoff: Die grüne Parteispitze mag die Bedeutung der Wirtschaft für unser Land zwar grundsätzlich erkannt haben, aber das grüne Wahlprogramm will etwa die Energiewende vor allem über Verbote, Regulierung und Dirigismus managen. Das passt nicht zusammen. Die Industrie hat sehr früh verstanden, dass sie nur mit klimafreundlichen Produkten und Prozessen erfolgreich bleiben kann. Wenn einer grün ist, dann unsere Industrie. Ich habe aus unseren Branchen nie gehört, dass etwas nicht geht, sondern nur: Wie setzen wir das um?
Wird diese Frage denn von der Politik beantwortet?
Kirchhoff: Nein, bei der Energiewende wird zu sehr über Ausstieg und viel zu wenig über Einstieg geredet. Die Energiepreise sind zu hoch, Genehmigungs- und Planungszeiten etwa für Windräder und Stromtrassen zu lang. Wenn wir unsere Klimaziele bis 2030 erreichen wollen, sollten sämtliche Planungsverfahren bis 2025 fertig sein. Das ist in 3,5 Jahren. Da brauchen wir jetzt endlich eine mehr Tempo aus der Politik. Armin Laschet hat das übrigens erkannt, andere noch nicht.
Autor: Ingo Kalischek
Quelle: Das Interview mit dem NRW-Unternehmerpräsidenten erschien am 6.9.2021 in der "Neue Westfälische". Hier geht's zum Interview: